Falkengrund Nr. 34
ein Bier. Das Kraut schmeckte nach Schimmel und Moder.
Die Gäste waren bereits am frühen Nachmittag in einer Stimmung, in der sie jedem Fremden die wildesten und privatesten Geschichten erzählt hätten, und kaum hatte er sich nach dem Teich erkundigt, umringten acht Männer seinen Tisch und berichteten mit nach Bier stinkendem Atem von dem unglücklichen Paar, das sich vor nicht ganz fünf Jahren in den Teich gestürzt hatte, vor lauter Liebe.
„Und … ist der Mann umgekommen, die Frau hat aber überlebt?“, fragte Sir Darren, einer Eingebung folgend. Die plötzliche Parallele faszinierte ihn.
Doch die Männer schüttelten ihre ungekämmten Köpfe. „Keiner von den beiden hat je wieder das Licht der Sonne gesehen, Sir. Der Ushtington Pool ist klein, aber tiefer, als man denken sollte. Die Schlingpflanzen haben lange Arme. Die sind beide mausetot.“
„Man hat also ihre Leichen gefunden?“
„Die des Mannes ja“, lautete die überraschende Antwort.
Sir Darren schob endgültig seine fast volle Teetasse zur Seite und bestellte ein Wasser. „Woher will man dann wissen, dass beide tot sind?“
„Fahren Sie in einem Boot hinaus, zur Mitte des Sees. Dann wissen Sie es.“
„Das klingt reichlich geheimnisvoll.“
„Es lässt sich nicht so gut in Worte fassen. Am Ufer liegen zwei Boote. Eines davon ist ein Wrack. Nehmen Sie das andere.“
Sir Darren trank das Wasser, das ebenfalls nicht frisch schmeckte, und machte sich auf den Weg zum Ushtington Pool – ein Katzensprung, ein Fußmarsch von einer guten halben Stunde vom Dorf aus. Es überraschte ihn wenig, ein dreckiges Loch vorzufinden, schlammig und voller Algen, mit tristen, sumpfigen Ufern und einer Vegetation, die sich der Fäulnis hingegeben hatte. Der Geruch war eine Zumutung, und er fragte sich, wie verzweifelt ein Liebespaar sein musste, um dem Leben ausgerechnet in einem solchen Pfuhl ein Ende zu setzen. In einem von Mondschein überfluteten klaren See wie dem Lake Easton mochten die letzten Minuten der Liebenden eine tröstende, romantische Schönheit entfalten – hier zu sterben dagegen war nicht ästhetischer als in der Gosse zu verrecken.
Sir Darren fand die Boote, von denen die Rede gewesen war. Allerdings durfte er feststellen, dass sie beide sich in gleichermaßen desolatem Zustand befanden – auch nach näherer Inspektion. In beiden stand das Wasser, und bei beiden konnte man mit dem Finger Löcher in das schwammige Holz bohren. Sie rochen, als faulten sie seit Jahrzehnten vor sich hin. Allerdings waren sie nicht untergegangen. In jedem lag ein Riemen.
Einige Minuten lang ging er unentschlossen am Ufer hin und her, bis seine Schuhe und Hosenbeine von Schlamm besudelt waren. Er konzentrierte sich auf das, was tief im Wasser, möglicherweise unter dickem Schlick, verborgen sein mochte. Nach einer Weile glaubte er eine Regung zu spüren. Es war nicht viel. Da er nie ein begabtes Medium gewesen war, konnte er auf seine Ahnungen nicht schwören. Vielleicht spukten nur die seltsamen Andeutungen der Dorfleute in seinem Geist umher.
Der Tümpel lag ruhig da. Von Fischen war nichts zu sehen. Ab und an stiegen Gasblasen auf, und bisweilen schwankten ein paar Gräser, ohne dass sich ein Lüftchen regte. Er kehrte zu den Booten zurück, und sie kamen ihm noch elender vor als eben. Er erwog einen Versuch, mit dem Jenseits Kontakt aufzunehmen, ehe er sich auf das brackige Wasser wagte. Doch dann siegte die Neugier.
Vorsichtig setzte er sich in den linken Kahn, nahm beide Riemen an sich und stieß sich ab. Er zog Schuhe und Strümpfe aus, stellte sie auf den Sitz und tauchte seine Füße in die zwei Inch tiefe Pfütze, die sich im Boot gebildet hatte. Die Riemen quietschten erbärmlich, als er sich durch den Schlick kämpfte. Nach einigen Zügen wurde das Wasser etwas dünnflüssiger, doch noch immer verhinderte ein grünbrauner Vorhang aus Schlamm und Algen den Blick in die Tiefe.
Dass man den männlichen Teil des Pärchens herausgezogen hatte, bedeutete, dass die Frau noch im See lag. War ihre Leiche nicht ans Ufer oder an die Oberfläche getrieben?
Mit wenigen kräftigen Ruderzügen hatte er sich vom Rand des Teichs entfernt und bremste nun ab. Er versuchte, mit einem der Riemen die Schlieren zur Seite zu wischen, doch natürlich rührte er damit nur noch mehr Dreck auf. Das Wasser um seinen Kahn herum färbte sich ocker. Was wohl Carnackis Elektrisches Pentakel bewirkt hätte? Er dachte an eine Fontäne des Dreckwassers, die sich über
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