Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt
er Besuch von der Polizei bekommen. Lange Gespräche waren es gewesen, die er von seinem Bett aus oder am Tisch sitzend mit den für ihn unsichtbaren Beamten geführt hatte. Eine Hauptkommissarin hatte sich beinahe zwei Stunden lang mit ihm unterhalten.
Zumindest hatte man sie ihm als solche vorgestellt. Vielleicht war es ja auch eine Psychologin gewesen, die seinen Geisteszustand prüfte. Man konnte ihm vorsetzen, was man wollte, ohne dass er einen Unterschied bemerkte. Er hatte die Dienstmarke der Kommissarin eine Weile befühlt, aber seinem Tastsinn vertraute er nicht. Zu ungenau waren die Empfindungen seiner Finger. Es schien ihm unverständlich, dass es Menschen gab, die Blindenschrift lesen konnten.
Der Überfall, dessen Opfer Piet Dochtermann geworden war, hatte keinerlei Spuren hinterlassen. Dass es keine Zeugen gab, die den Täter gesehen oder den Vorfall selbst beobachtet hatten, war noch verständlich. Kurz vor Mitternacht, in einer kalten Nacht wie dieser, war niemand mehr unterwegs, und die Anwohner starrten nun einmal lieber in ihre Flimmerkisten als aus dem Fenster. Piet wäre der Letzte gewesen, der dies nicht verstanden hätte.
Verwunderlicher war, dass man keine Reste von dem Sprengstoff gefunden hatte. Der schlaksige Junge hatte eine Art Bombe auf ihn geschleudert, die unmittelbar vor seinen Augen explodiert war und seine Hornhaut verbrannt haben musste.
Trotzdem hatte die Spurensicherung vor seinem Haus keine Bruchstücke oder Chemikalienreste ausgemacht. Dazu kam, dass Piets Körper oder Kleidung keine Verbrennungen aufwies. Nicht einmal im Gesicht, um die Augen herum, gab es Brandwunden oder Rötungen! Einzig und allein seine Augen waren betroffen, und auch diese schienen nicht verbrannt, sondern vielmehr verätzt worden zu sein, wie der Arzt ihm versicherte.
Da er rückwärts gegen die Tür geprallt war, hatte er diese aufgestoßen, und Ekaterini hatte zwei Schläge gehört. Das harte Krachen, als die Türklinke gegen die innere Wand knallte, und das dumpfe Plumpsen, mit dem Piets Körper zu Boden fiel. Sie war sofort herbeigeeilt, hatte den Ohnmächtigen gefunden und den Notarzt gerufen. Als der Arzt die Lider des Mannes öffnete, erkannte er mit bloßem Auge die schrecklichen Verletzungen der Hornhaut. Die durchsichtige Kuppel über der Linse war vollkommen schwarz geworden ...
Die Kommissarin (oder die Psychologin) ließ sich immer wieder von ihm eine Beschreibung des Täters geben. Je öfter er den jungen Mann mit seinem an eine Schlenkerpuppe erinnernden Aussehen und seinen gummiartigen Bewegungen beschrieb, desto peinlicher wurde es ihm, und irgendwann war er selbst nicht mehr sicher, ob er ihn tatsächlich gesehen hatte oder ob die bizarre Figur nicht einem der Albträume entsprungen war, die er in später im Krankenhaus gehabt hatte.
Hatte Piet Feinde?
Nicht, dass er wüsste.
Sicher, er war ein stolzer, kritischer Mann, der durchaus einmal spöttische Bemerkungen über seine weniger talentierten Kollegen fallen ließ. Auch vor der Presse hatte er schon den einen oder anderen Restaurateur als Dilettanten bloßgestellt. Würde sich einer davon auf diese Weise an ihm rächen? Indem er ihm das Augenlicht nahm?
Wenn er nicht das Opfer eines Angriffs geworden war, wenn er das Attentat nur geträumt hatte – woher rührten dann die Verletzungen seiner Hornhaut? Eines der Gespräche, das er mit der angeblichen Kommissarin führte, schien zu implizieren, dass er sie sich selbst zugefügt haben konnte.
Aber wie? Selbst wenn er so etwas Hirnrissiges getan haben sollte, musste es doch auch dafür Spuren geben!
Nichts passte zusammen, nichts ergab einen Sinn. Ihm war etwas Unfassbares zugestoßen.
Etwas, das nicht zu dieser Welt zu gehören schien.
Dieser Gedanke beschäftigte ihn. Wenn er nicht über seine Zukunft grübelte, ging er ihm nach. Ekaterini gegenüber sagte er nichts davon.
Hatte er nicht selbst festgestellt, wie unwirklich diese Welt für ihn geworden war? Dass er sie als künstlich und fremd empfand? War dieser junge Mann und die Bombe, die er geworfen hatte, nicht der logische Höhepunkt dieser Entwicklung? Hatte die ganze Fremdartigkeit und die Falschheit dieser sogenannten Realität sich in einem Angriff entladen, für den es keine Erklärung gab? War es eine Art Vision gewesen? Ein letztes, unmissverständliches Zeichen, dass er dieser Wirklichkeit nicht mehr vertrauen konnte?
Aber konnte eine Vision die Hornhaut seiner Augen zerstören?
Ekaterini sagte, dass er
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