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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 13 Tiefer als du denkst

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 13 Tiefer als du denkst

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 13 Tiefer als du denkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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kurzen Rock hervorwuchsen. Gleichzeitig wirkte das Gesicht der Frau abstoßend.
    Der Alte erschien im Gegensatz zu ihr wie eine menschgewordene Ziege, mit den vorspringenden Kiefern, den länglichen Zähnen und dem kleinen Kinnbart. Ein dunkelgrauer Haarflaum bedeckte die eingefallenen Wangen bis hinauf zu dem zerzausten langen Haar.
    „War die Tür offen?“, erkundigte sich dieses seltsame Geschöpf. Der Alte versuchte sich zu erheben, schien jedoch nicht die Kraft dazu zu haben, und sank immer wieder auf seinen Stuhl zurück. Schließlich gab er es auf.
    „Jetzt ist sie offen“, entgegnete Georg.
    „Ja“, machte der Alte. „Haben Sie etwas kaputtgemacht?“
    „Nichts, was man nicht reparieren könnte. Ich komme wegen des Aquariums.“
    Der Ziegenhafte klopfte sich mit den Fingern gegen die überlangen Vorderzähne. Dann schnappte er sich seine großen, behaarten Ohrmuscheln und bog sie nach vorne. „Ich höre ein bisschen schlecht. Sie haben bestimmt nicht ‚Aquarium’ gesagt.“
    „Doch, das habe ich.“ Georg beobachtete die Frau auf der Leiter, die ihrerseits ihn fixierte. Je länger er sie ansah, desto stärker wurde sein Verlangen zu blinzeln, und er schloss immer wieder zwanghaft die Augen. Es war ein furchtbares Gefühl. „Eine Kommilitonin von mir hat erst gestern hier ein Aquarium erstanden, und es wurde heute geliefert.“
    „Wir haben keine Bücher über Aquaristik“, krächzte der Alte. „Über Meeresbiologie, ja, vielleicht ein paar, aber nicht über Aquaristik. Das wüsste ich.“
    „Sie verstehen mich nicht.“ Oder wollen mich nicht verstehen , ergänzte Georg in Gedanken. „Ich spreche nicht von Büchern, sondern von einem echten Aquarium. Hier ist die Gebrauchsanweisung.“
    Er machte fünf Schritte in den Laden hinein, bis er vor dem Schreibtisch stand. Das zusammengerollte Heft, das er die ganze Zeit über in der Hand getragen hatte, reichte er dem Alten. Der zögerte, nahm es dann entgegen, schlug es auf, kniff die Augen zusammen und studierte den Inhalt.
    „Es ist eine Gebrauchsanweisung für ein Tiefseeaquarium“, stellte er nach eingehendem Studium fest.
    Georg atmete ein. „Wie ich bereits sagte. Aber die Sprache ...“
    „Ihre Kommilitonin liest Chinesisch?“, fragte der Antiquar und hob anerkennend die Brauen.
    „Nein. Und genau das ist das Problem. Das – und noch etwas anderes.“
    „Chinesisch“, sagte der Alte, „ist eine sehr brauchbare Sprache und Schrift, ein perfekt aufeinander abgestimmtes System. Vor allem die Schrift wird oft unterschätzt. Viele Informationen auf engem Raum. Aussagekräftige Symbole. Ein Meisterwerk – und sehr alt.“ Er gab dem Studenten das Heft zurück. „Versuchen Sie es woanders zu verkaufen. Leider habe ich keine Verwendung für dieses Druckwerk. Obwohl wir eine Menge chinesischer Bücher führen. Sie sparen sehr viel Platz. Kleine Zeichen mit tiefer, tiefer Bedeutung. Tiefer als man denkt.“
    Georg verdrehte die Augen. „Ich bin nicht gekommen, um es zu verkaufen. Ich wollte es tauschen. Gegen eine deutsche Version. Oder meinetwegen gegen eine englische.“
    „Wie ich schon sagte“, brummte der Alte, „haben wir keine Bücher über ...“
    Georg stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und sah den kleinen Greis so angriffslustig an, dass dieser verstummte und betreten zur Seite sah. „Mir ist bekannt, dass hier Aquarien verkauft werden“, meinte er dann. „Und ich möchte wissen, warum Sie diese Tatsache vor mir zu verbergen versuchen!“
    Kaum hatte Georg diese Worte ausgesprochen, da fiel ihm etwas auf. Plötzlich wusste er, was es war, das ihm das unterschwellige Gefühl gab, sich am richtigen Ort zu befinden. Ja. Es war ganz offensichtlich.
    Die Oberfläche des Schreibtisches, wo jetzt seine Hände lagen, fühlte sich glitschig an. Die Luft war feucht wie in einem tropischen Gewächshaus, und es roch nach Meer. Antiquariate waren trockene, staubige Orte – Feuchtigkeit war der natürliche Feind von Büchern. Sie ließ das Papier schneller altern. Doch hier glänzten die Buchrücken wie fette Speckschwarten, Boden und Möbel waren schmierig! Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, wie sich in den herabgedrückten Mittelstücken der Regalbretter Tropfen sammelten und zu Boden fielen.
    Und noch etwas stimmte hier nicht. Dieser Laden war viel zu groß und zu breit für dieses Haus! Nach der Außenfront zu schließen, konnte das Geschäft höchstens drei Meter breit sein, doch die tatsächliche

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