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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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unangenehm aufstießen – Magie, Hexerei und Spiritismus.
    Fachinger erstarrte wie ein Soldat, dem jemanden den Befehl zum Stillstehen erteilt hatte. „Okkultes? Verstehe ich etwas falsch, oder sprechen wir von ... Magie, Hexerei und Spiritismus?“
    „Nein!“, rief Hotten. „Oder ... ja.“
    „Was denn nun?“
    „Sie sind nicht direkt ... falsch“, kauderwelschte der Rektor hilflos.
    In diesem Moment kam Isabel Holzapfel die linke der beiden Treppen herunter. Sie grüßte den Fremden mit ihrem typisch melancholischen Gesichtsausdruck und verschwand in Richtung Bibliothek. Wie immer trug sie schwarze Kleidung, dazu umgekehrte Kruzifixe als Schmuck. Ihr Gesicht war weiß gepudert, ihr Haar kohlrabenschwarz.
    Der Beamte sah der jungen Frau nach und gab sich keine Mühe, es zu verbergen. Im Gegenteil – er zelebrierte es. Er war wie ein Detektiv, der eine Spur gefunden hatte, ohne lange danach gesucht zu haben.
    „Würden Sie mir zustimmen, dass die Bezeichnung ‚Sekte’ den Charakter Ihrer Vereinigung trifft?“, fragte der Hauptkommissar ohne Umschweife. Seine Augen waren groß geworden. Sehr groß. Und interessiert. „Wohin geht dieses ... kostümierte Mädchen?“
    „Sekte? Auf keinen Fall – in die Bibliothek.“
    Der Beamte wechselte seinen Hut in die andere Hand. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir Ihre Bücherauswahl einmal ansehe?“
    „Bitte!“
    Fachinger stiefelte nicht sofort los, sondern blieb erst einmal stehen. Er kramte die Schnupftabaksdose aus seiner engen Tasche, ballte die Rechte zur Faust, stippte sich ein beachtliches Häufchen auf den Handrücken und sog es zackig und lautstark mit der Nase ein. Er schloss für einen Moment die Augen, und als er sie wieder öffnete, hatten sie einen glasigen, aber glücklichen Ausdruck angenommen. Der Beamte verstaute sein Schatzkästchen wieder, zog ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich. Erst dann sagte er mit tiefer, bäriger Stimme: „Gehen wir.“
    Werner Hotten hatte in den folgenden Minuten das Gefühl, als sehe er das Innere der Bibliothek nicht mit eigenen Augen, sondern mit denen des Polizisten.
    Es war erstaunlich, was es in der Bibliothek alles zu entdecken gab.
    Er hatte sich nie etwas dabei gedacht, wenn auf den Bildschirmen der PCs die Pentagramme, Totenschädel und astrologischen Zeichen der einschlägigen Internetseiten zu sehen waren, wenn aus den Druckern schematische Darstellungen von Freimaurerlogen oder noch nicht entschlüsselte Texte in kruden Runenschriften flossen, wenn an die Wände Bilder von berühmten Okkultisten wie Levi, Blavatsky und Crowley gepinnt waren, denen übermütige Studenten künstliche Schnurrbärte verpasst hatten. Er war immer der Meinung gewesen, dass wenigen Menschen ein Schnauzbart aus Filzstift so gut stand wie Helena Blavatsky ...
    Nun war alles anders. Er fühlte sich wie der Mönch, der ein Freudenhaus betritt. Wie der Veganer bei der Schlachthausbesichtigung. Wie der friedliebende Alien auf der Bahre im unterirdischen Militärlabor.
    Er war nicht nur unangenehm berührt ... er war aufrichtig erschrocken von dem, was er sah. Und er dachte plötzlich an Dutzende von Thrillern, die er gesehen hatte. Filme, in denen Inspektoren und Kommissare den Unterschlupf des geistesgestörten Serienkillers entdeckten, ein Zimmer mit all den nur scheinbar zusammenhanglosen Bildern an den Wänden, den satanischen Büchern, den Tagebüchern voller winziger, krummer, gehetzt wirkender Zeilen.
    Sir Darren saß an einem der runden Tische in der Bibliothek, und zwei großformatige, recht neue Bücher lagen aufgeschlagen vor ihm. Rektor Hotten und Hauptkommissar Fachinger warfen synchron einen Blick hinein und erkannten darin ganzseitige Fotografien von halbverwesten Leichen.
    An jedem anderen Tag hätte Hotten verstanden, dass diese internationale Koryphäe des Spiritismus sich mit den Fragen der Lokalisation der menschlichen Seele oder der Erforschung des Fortwirkens physischer Lebensvorgänge nach dem Tode beschäftigte, und er hätte den Atem angehalten bei dem Gedanken, welche Informationsfülle dieser begnadete Wissenschaftler aus den Abbildungen destillieren würde, die einem Laien wie ihm auf ewig unsichtbar blieben.
    Nun schaffte sein Geist den Sprung bis zu diesen Überlegungen nicht. Nun stürzte er in den gähnenden Abgrund des Grauens, ehe er den gegenüberliegenden Sims erreichte. Er sah nur einen hageren, versnobt wirkenden Mann, der sich mit starrer Miene über die Fotos verfaulender Menschen

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