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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Zentimeter. Ich möchte, dass du ‚zehn Zentimeter’ sagst.“ In Madokas Gesicht regte sich kaum etwas, doch in ihren Augen brannte ein mörderisches, sadistisches Feuer.
    Melanies Puls pochte wild an ihrem Hals. Der Schweiß brach ihr aus, und sie litt Todesangst. Was für ein Monstrum war das, mit dem sie seit Monaten unter einem Dach wohnte? „Zehn ... Zentimeter“, krächzte sie.
    „Wenn du noch einen Versuch machst, dieses Wesen zu befreien, werde ich dich töten“, sagte Madoka. „Hast du verstanden?“
    „Ja!“, presste sie eilig hervor. „Ich habe verstanden! Ich ... werde es nie wieder tun. Ich schwöre es!“ Gott, sie hätte alles versprochen und alles getan, um den Klauen dieser Bestie zu entrinnen!
    „Ihr seid lächerliche, pathetische Geschöpfe“, fuhr Madoka fort. Es klang, als spreche sie etwas aus, was sie schon lange hatte loswerden wollen. Gewöhnlich war sie nicht so gesprächig. „Ihr reagiert auf simple Reize, springt hierhin und dorthin, ändert ständig eure Meinung und eure Sicht von der Welt. Ihr seid Blätter im Wind, ohne Halt, ohne Ziel. Dieses ganze kindische Haus ist ein einziger cadavre exquis.“
    Ein was? , wollte Melanie fragen, aber ihre Situation ließ ihr keinen Spielraum. Sie durfte jetzt nichts falsch machen. Am besten, sie sagte gar nichts. Sie wollte leben, einfach nur leben. Es war wie damals, als sie ihren Unfall mit dem Auto gehabt hatte. Damals hatte sie sich nur noch gewünscht, lebendig aus dem Wrack herauszukriechen. Nun wünschte sie sich, lebendig dieser Verrückten zu entkommen. Alles andere war unwichtig.
    In zeitlupenhafter Langsamkeit zog Madoka ihre Hand von ihren Augen zurück. Dann stieg sie von ihr herab. Sie trat zur Seite, und es war klar, dass sie dieses Zimmer nicht verlassen würde, ehe Melanie es verlassen hatte.
    Mit schlotternden Gliedern erhob sich die Studentin.

6
    Die letzten zwei Jahre waren paradiesisch gewesen. Besser hätten die Dinge nicht laufen können.
    Gut, nachdem Charlie Colm seinen Bruder und Teilhaber Hans hatte verschwinden lassen, hatte er so manche schlaflose Nacht erlebt. Das merkwürdige Erlebnis, das er und sein Mitwisser Heiner im Wald gehabt hatten, als sie die Leiche entsorgen wollten und sich der schwere Kaffeekessel nicht mehr öffnen ließ, in dem sie Hans getötet und transportiert hatten ... dieses Erlebnis war nicht leicht zu verdauen. Und ein Mord gehörte schließlich nicht zu Charlies Alltag.
    Er selbst hatte Hans bei der Polizei als vermisst gemeldet, und einige Monate lang war er am laufenden Band befragt und verhört worden. Er war hart geblieben, denn er vertraute darauf, dass man ihm nichts nachweisen konnte. Man musste davon ausgehen, dass Hans bei seiner Geschäftsreise nach Koblenz verschwunden war. Vielleicht, so vermutete man, war er einem Raubmord zum Opfer gefallen. Der altmodische Mann, dem Kreditkarten nicht geheuer waren, führte des Öfteren größere Mengen Bargeld bei sich. Davon hatte sein Mörder wohl gewusst, hieß es.
    Die geschäftlichen Erfolge lenkten Charlie von den schwachen Gewissensbissen ab, die er hatte. Ja, diese Erfolge bestätigten ihm, dass seine Tat gerechtfertigt gewesen war – wenn schon nicht moralisch, dann doch zumindest im Hinblick auf das Prosperieren der Firma.
    Hans war mit seiner konservativen Einstellung ein Klotz am Bein von Colm’s Kaffee Exquisit gewesen – der typische verkniffene Buchhalter-Typ, kein Mann, dem man die Leitung eines aufstrebenden Unternehmens anvertrauen durfte. Charlies häufige Neuinvestitionen brachten den Betrieb zwar mehrere Male an den Rand des Bankrotts, aber jetzt stand er besser da denn je. Natürlich war auch Glück im Spiel gewesen: Neue Märkte in Südeuropa hatten sich aufgetan, eine große deutsche Supermarktkette hatte seinen Kaffee in ihr Sortiment aufgenommen, und auch an den Tankstellen eines führenden Kraftstoffriesen konnte man den Sprit für menschliche Kehlen jetzt erwerben. Angesichts dieser Erfolge war Charlies verschwenderische Ader zu verschmerzen gewesen – zumal er kaufmännische Schwächen durch große Risikobereitschaft ausglich, und diese hatte sich in diesem Fall bezahlt gemacht.
    Auch privat hatte Charlie das Glück gepachtet. Vor einem halben Jahr hatte er den Kaffeeplantagen in Puerto Rico, wo ihre Bohnen herstammten, einen Besuch abgestattet. Zunächst war es sein Plan gewesen, die Plantagenbesichtigung in einem halben Tag abzuhaken und den Rest seines einwöchigen Aufenthalts an einem der

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