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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Strick der Mann, dessen Schnappschüsse und Hochzeitsfoto er heute Morgen gesehen hatte. Ulrich Schenks. Einen halben Meter unter seinen Füßen lag ein umgestoßener Stuhl auf dem Boden.
    Anna – der Geist von Anna – stand auf halber Entfernung zwischen dem Toten und der Tür und blickte hinauf. Sie war erstarrt, hatte die Hände leicht zu den Seiten abgewinkelt und den Kopf in den Nacken gelegt.
    Die Zeit schien stehen zu bleiben, nicht nur für sie, auch für Sir Darren, der die Szene in tiefem Schock betrachtete. Mit diesem Ende hatte er nicht gerechnet.

8
    Wie lange er dort gestanden hatte, wusste er nicht. Doch plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf und zwang ihn zum Handeln. Das Mädchen jetzt noch ansprechen zu wollen, war sinnlos. Sie war ein Gespenst, also konnte er nicht einmal ihre Hand packen und sie gewaltsam von hier fortzerren.
    Er stürzte durch die Tür hinaus, lief ein paar Schritte ziellos auf das nächste Feld, stolperte und ließ sich zwischen die Stoppeln fallen. „Gilbert!“, quetschte er zwischen den Zähnen hervor. „Gilbert! Du musst mir helfen!“
    Der hagere Mann wälzte sich auf die Seite, bis er die Sterne über sich hatte. Es kümmerte ihn nicht, was mit seinem Anzug geschah. Es kümmerte ihn nicht einmal, was mit ihm selbst geschah.
    „Gilbeeeert!“, brüllte er aus Leibeskräften. „Unsere Seelen sind verknüpft! Du musst erscheinen, wenn ich dich rufe! Du kannst nicht anders! Ich weiß, dass du mich hörst!“
    Nichts geschah. Keuchend wartete Sir Darren einige Sekunden, dann rappelte er sich auf und hetzte zum Wagen. Er warf sich auf den Sitz. Drehte den Schlüssel. Drückte den Zigarettenanzünder hinein. Schaltete das Radio ein und drehte das Tuning bis zum oberen Ende des Frequenzspektrums. Dann stellte er die Lautstärke höher, bis ihm das Rauschen die Trommelfelle zu zerreißen schien. Schließlich zog er den glühenden Zigarettenanzünder heraus und hielt ihn hoch, vor seine Augen.
    „Ich habe Feuer“, ächzte er. „Und ich habe das Rauschen des Äthers. Mein Herz schlägt noch wärmer, als das Feuer brennt, und noch lauter, als der Äther rauscht, und es ist das einzige im Umkreis von hundert Metern oder mehr. Du findest mich, Gilbert! Du siehst mich von deiner Seite aus genau, und es zieht dich zu mir hin.“
    Aus dem ohrenbetäubenden Krachen des Radios klang eine undeutliche Stimme:
    „Lass mich in Frieden, Darren!“
    „Nein“, schrie der Mann mit verzerrtem Gesicht. „Ich habe Macht über dich. Ich brauche dich nicht um einen Gefallen zu bitten, wenn ich Macht über dich habe. Du bist in meiner Gewalt, Gilbert.“
    „Dummkopf“, knatterte es aus den Lautsprechern. „Armer alter Narr!“
    „Gilbert, du musst jemanden zu mir schicken!“
    „Nie mehr!“, antwortete das Krachen. „Du hast dir alle Sympathien verspielt. Sogar meine, und ich hatte große Geduld mit dir. Du bist jetzt ganz alleine, Darren. Ganz alleine.“
    „Ich brauche eine Seele, sofort!“
    „Vergiss es, lächerlicher alter Mann!“
    „Schick mir Ulrich Schenks! Ich brauche die Seele von Ulrich Schenks! Ich brauche sie hier! Auf der Stelle!“
    Für einige Augenblicke war die Stimme aus dem Jenseits verschwunden. Dann erklang sie erneut aus dem Lärm auf: „Ulrich Schenks ist eben erst hier angekommen. Du kannst ihn nicht wieder von hier fortreißen. Er ist durcheinander.“
    „Gehorche mir. Ich befehle dir, mir diese Seele zu schicken!“
    „Es ist gegen alle Gesetze! Es ist nicht gut! Du missachtest die Regeln deiner und unserer Welt!“
    „Ulrich Schenks!“, brüllte Sir Darren mit überschnappender Stimme. „Ich weiß, du stehst hinter diesem starrköpfigen Idioten und willst an ihm vorbei. Willst herüber zu mir. Achte nicht auf ihn. Komm! Wach endlich auf, Ulrich Schenks!“
    In diesem Moment verstummte das Radio. Der elektrische Strom war plötzlich weg, die Batterie zusammengebrochen. Ein bläuliches Leuchten strich über die Karosserie, und der Zigarettenanzünder in Sir Darrens Hand sprühte ein paar Funken in das Dunkel.
    Alles war still. Der Dozent kroch aus dem Wagen. Erschöpft humpelte er auf die Scheune zu.
    Dann blieb er stehen.
    Er sah sie. Er sah die beiden Menschen, die aus der Scheune kamen! Sie traten nicht durch die Tür, sondern durch die Wand.
    Ulrich Schenks kam als erster. Er hielt die Hand seiner Nichte, die ihm folgte. Anna sah zu ihrem Onkel auf.
    Sie beide waren durchscheinend, milchig, wie ein Film, den man auf eine Nebelwand

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