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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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mich in meine Rolle zu versetzen ... Ja, ich spüre den Schmerz in meiner Brust ... Sie haben doch auf die Brust gefeuert, nicht wahr? Sie würden mir nicht ins Gesicht schießen, nein, das wäre nicht Ihr Stil ... Aber was würde ich empfinden, außer Schmerz und Schrecken? Panik? Vielleicht ... Hass? Würde ich Sie nicht hassen für das, was Sie mir angetan haben? Ich würde Rache schwören, ganz bestimmt ... Verhalte ich mich richtig, Herr Edgar? Fühle ich wie jemand, der ermordet wird? Sagen Sie mir, ob ich so empfinden würde, wenn es ernst wäre.“
    Sir Darren warf einen Blick über seine Schulter auf Santiago Faro, der erstarrt und aufs äußerste gespannt an seinem Schreibtisch saß, bereit, jeden Moment erneut aufzuspringen und zu wiederholen, was er vor wenigen Sekunden getan hatte. „Sie würden den Schmerz vermutlich kaum spüren“, erklärte der Brite sehr langsam und sehr eindringlich. „Sie würden auch kaum mehr Gelegenheit haben, ein Gefühl wie Rache zu entwickeln, außer, ich wäre ein lausiger Schütze und hätte Sie nicht richtig getroffen. Wissen Sie, was Sie mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit tun würden?“
    „Was?“, hauchte Fachinger. Aus seiner Stimme sprach jetzt echte, gebannte Aufmerksamkeit.
    „Sie würden mir in die Augen sehen, und Sie würden das Leben darin erkennen, eine Art Flamme, die immer weiterbrennt, während die Ihre verlöscht. Und es würde Sie beinahe wahnsinnig machen, zu wissen, nein, zu spüren, dass ich in einigen Sekunden noch in der Welt der Lebenden sein werde. Dass ich Sie nicht begleiten werde, obwohl ich doch das Tor für Sie geöffnet und Sie hindurchgestoßen habe. Das Tor in eine Finsternis, eine Welt der Toten.“
    „Ich ... bin nicht sicher, ob ich Sie verstehe ...“
    „Das kann man Ihnen nicht übelnehmen. Es ist schwer mit Worten auszudrücken. Jemand, der plötzlich und unerwartet stirbt, macht die grauenvolle Erfahrung, in eine finstere Leere weg zu driften. Und es ist noch um ein vielfaches schlimmer, wenn sein letzter Blick in die Welt der Lebenden ihm nichts anderes enthüllt als das Gesicht des Menschen, der ihn getötet hat. Mordopfer sind auf lange, lange Zeit traumatisiert.“
    „Gut ... das ...“ Fachinger schloss die Augen und massierte sich die Augäpfel. „Das mag sein. Vielleicht verstehe ich ein wenig, was Sie meinen. Aber diese Menschen sind ... tot ... Wenn sie traumatisiert sind, dann ... spielt das keine Rolle mehr. Sie sind meinetwegen traumatisierte Gespenster. Traurige Geister.“
    „Traurige Menschen “, verbesserte Sir Darren.
    „Herr Edgar, ich sollte allmählich zur Sache kommen.“ Der Hauptkommissar hustete, wie, um sich von der hypnotischen Wirkung zu befreien, die die letzten Minuten auf ihn gehabt hatten. „Ich gestehe, es ist interessant, sich mit Ihnen zu unterhalten. Aber dass ich Sie hergebeten habe, hat einen konkreten Grund. Setzen wir uns wieder. Es geht, wie Sie sich vielleicht denken können, um den Mordfall an der kleinen Anna.“
    Sir Darren nahm widerwillig Platz. Er hatte von Margarete Maus erfahren, was die Studentin Melanie Kufleitner ihr über die Sache erzählt hatte. Und freilich hatte er auch die Artikel in der Tagespresse verfolgt.
    „Ich bin gespannt, was ich damit zu tun haben soll“, bemerkte er.
    „Natürlich nichts“, erwiderte der Beamte. „Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass ich für die Aufklärung des Falles zuständig bin. Die Sache gestaltet sich ein wenig ... problematisch. Und nachdem mir neulich auf Schloss Falkengrund die Augen geöffnet wurden und ich außerdem erfuhr, dass sich unter den Dozenten eine international beachtete Koryphäe für Spiritismus befindet ...“
    „... eine Art Häuptling der Geisterbeschwörer“, redete der Brite mit zynischem Ton dazwischen.
    Fachinger seufzte. „Ich wollte Sie um einen Gefallen bitten. Geben Sie mir wenigstens eine Chance!“
    Sir Darren legte die Hände auf die Stuhllehnen und bereitete sich darauf vor, aufzustehen. „Wenn Sie unter einem Gefallen verstehen, dass ich Kontakt zu dem armen Mädchen aufnehme und versuche, den Namen ihres Mörders zu erfahren, vergessen Sie es!“
    „Und warum?“
    „Weil dieses Kind erst seit einigen Tagen tot ist und sie noch weitaus mehr Zeit braucht, um sich mit ihrem Schicksal zu arrangieren. Und um überhaupt zu verstehen, was ihr widerfahren ist. Sie jetzt zu rufen und zu dem Mord zu befragen, wäre ebenso grausam wie das, was der Mörder mit ihr getan hat. Vielleicht noch

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