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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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bevormundet zu werden.“
    „Ich hatte Herrn Hotten gebeten, mir einen Spiritisten zu schicken, und ...“
    Sir Darren stieß einen Laut aus, der wie „Pah“ und Hundegebell zugleich klang. „Wenn ich Sie an dieser Stelle berichtigen darf: Erstens benutzten Sie keineswegs das Wort ‚Spiritist’. Sie sprachen von einem ‚Geisterbeschwörer’, worauf Ihnen Herr Hotten diese treffendere Vokabel nahe legte, die Sie nun so eloquent im Munde führen. Zweitens kann nicht die Rede von ‚bitten’ sein, denn Herr Hotten erklärte mir gegenüber sehr deutlich, dass es sich um eine Erpressung handelt.“
    „Erpressung!“ Fachinger fühlte allmählich Wut in sich aufsteigen. Sein ohnehin rotes Gesicht wurde purpurfarben, und seine dicken Finger klopften erregt auf die Tischplatte. „Wissen Sie, wen Sie vor sich haben?“
    Sir Darren war nicht beeindruckt. „Sie denken, dass ein gesetzestreuer Bürger, der sich niemals etwas zuschulden kommen ließ, vor dem Arm des Gesetzes gefälligst zu zittern und zu zaudern habe wie ein gemeiner Halunke. Verzeihen Sie mir, wenn ich nicht vor Ihnen katzbuckle. Das Alter ... mein Rücken ... Sie verstehen ...“
    „Herr Edgar!“, rief der Beamte. Santiago Faro, der sich am Schreibtisch in der Ecke ganz klein gemacht hatte, räusperte sich, und Fachinger befürchtete, er könne aufspringen und auf den Gast losgehen. „Wollen Sie mich jetzt anhören oder mich zu Tode quasseln, verdammt?“
    „Wenn ich die Wahl habe, keines von beiden, ehrlich gesagt, aber bitte, sprechen Sie! Je früher diese Konversation hinter uns liegt, desto erquicklicher für mich.“
    Fachinger erhob sich und tat so, als betrachte er die Landkarte an der Wand. Er hätte auch eine Tapete angesehen, wenn sonst nichts da gewesen wäre. Seine Hände hatte er ungeschickt in die viel zu kleinen Hosentaschen gequetscht, und seinen beeindruckenden Bauch streckte er vor, als wäre er ihm vom Polizeipräsidenten als Auszeichnung verliehen worden.
    „Herr Edgar, ich bin ein geläuterter Mann.“
    „Das freut mich für Sie“, erwiderte Sir Darren schnell. „Ich selbst konnte dem Alkoholgenuss nie besonders viel abgewinnen, einen kleinen Sherry nach dem Essen natürlich ausgenommen ...“
    „So meinte ich es nicht!“ Fachinger knirschte mit den Zähnen. Er hätte zu gern gewusst, ob dieser Darren Edgar solche Äußerungen als Beleidigung intendierte, oder ob eine verquere Art von Humor daraus sprach. Um das herauszufinden, hätte er ihn genau beobachten müssen. Genau dazu hatte er jetzt keine Lust. „Ich hatte mein Leben lang nicht an Geister geglaubt, nicht an Vorahnungen, Hellseherei, Besuche aus dem Jenseits, diese Dinge. Bis vor ein paar Tagen hätten Sie mich fragen können, ob ich ein Leben nach dem Tod für möglich halte, und ich hätte nur darüber gelacht.“
    Sir Darren sagte nichts. Er war plötzlich außerordentlich still geworden.
    „Und dann“, fuhr Fachinger fort, „sah ich dieses Gespenst auf Schloss Falkengrund. Diesen ... Baron von Adlerbrunn. Gespenst – das klingt wie etwas, mit dem man kleine Kinder erschreckt. Aber Herr Edgar, ich kann Ihnen nicht sagen, wie furchtbar die wenigen Minuten in diesem Zimmer waren. Ich habe seither keine Nacht mehr ruhig geschlafen.“
    Sir Darren nickte unwillkürlich. Wenn der Beamte sich auch in einem Punkt irrte – es war keineswegs der Baron gewesen, dem er begegnet war –, konnte er seine Gefühle doch nachempfinden. Auch er hatte in den letzten Nächten kaum ein Auge zugetan. Schließlich hatte er, um Fachingers Neugier zu befriedigen und die Schule zu retten, einen echten Geist aus dem Reich der Toten rufen müssen. Diesen Spuk hatte er in einem Zimmer toben lassen, das der Mann von der Kripo für die Kammer des Barons hielt. Sir Darren selbst hatte, im Schrank versteckt, das schreckliche Treiben miterleben und das Gespenst, als es seine Schuldigkeit getan hatte, wieder ins Jenseits zurückschicken müssen.
    Es war eine Schande, die ihresgleichen suchte! Kein Toter hatte es verdient, dass man so mit ihm umsprang. Den Verstorbenen gebührte Respekt. Man rief sie nur, wenn es dringende Fragen zu stellen gab, und auch dann begegnete man ihnen mit Achtung. Es gab Spiritisten, die mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten leichtfertig spielten und die Toten zu ihrem Vorteil zu benutzen versuchten. Solche Menschen wurden früher oder später für ihre Taten bestraft. Das Jenseits hatte seine eigenen Gesetze. Wenn die Seelen der Verblichenen mitunter die

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