Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
großer Wichtigkeit zu sein, wenn er es wagt, hier aufzutauchen und solche Lügenmärchen zu erzählen.«
»Muss er«, pflichtete Jana ihm bei. »Denn sonst hätte sich dieser miese Zeppenfeld doch nicht solche Mühe gegeben, deinen Onkel übers Ohr zu hauen. Ich wette, es war gar kein Zufall, dass er so spät auf Falkenhof aufgetaucht ist. Vielleicht hat er gedacht, dass dein Onkel dann nicht mehr so munter ist und sich eher dazu überreden lässt, den Stock herauszurücken.«
»Ja, gut möglich. Dem ist wohl alles zuzutrauen.«
»Wie gut, dass du ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hast.«
Tobias grinste. »Du hättest sehen sollen, wie er mich angefunkelt hat, als er mit leeren Händen wieder abziehen musste. Stinkwütend war er auf mich! Am liebsten hätte er mich gefressen.« Dann wurde er wieder ernst und nachdenklich. »Wenn wir bloß herausfinden könnten, was es mit diesem Stock auf sich hat – und warum ihn Wattendorf meinem Vater geschickt hat.«
»Was ist mit dem Brief, der mit dem Spazierstock geschickt wurde?«, fragte Jana.
Tobias’ Gesicht hellte sich auf. »Der Brief! Natürlich! Da muss es ja drinstehen!« Seine hoffnungsfrohe Miene wich jedoch schon im nächsten Moment einem skeptischen Ausdruck. »Wenn er überhaupt noch existiert! Vielleicht hat mein Vater ihn überhaupt nicht aufgehoben, sondern in seinem Ärger zerknüllt und weggeworfen.«
»Vielleicht weiß dein Onkel, ob es den Brief noch gibt«, sagte Jana.
»Ich werde ihn morgen gleich fragen.« Und energisch fügte er hinzu: »Wir werden schon herausfinden, was es mit Zeppenfeld und dem Spazierstock auf sich hat, das schwöre ich dir!«
Zwölf Goldstücke
Heinrich Heller war ihnen keine große Hilfe, auch wenn er sich zu erinnern glaubte, dass sein Bruder den Brief in irgendein Buch gelegt hatte. Aber zum einen war er sich dessen gar nicht so sicher, und zum anderen war das im besten Fall so, als wollte man eine Stecknadel in einem riesigen Heuhaufen suchen. Auf Falkenhof gab es tausende von Büchern! Wo sollte Tobias da mit der Suche beginnen? Den ganzen Samstag verbrachte er in der Bibliothek, nahm ein Buch nach dem anderen heraus und blätterte es durch, bis er die Arme kaum noch heben konnte. Ohne Erfolg. Der Brief blieb verschwunden. Als er dann seine Suche im Studierzimmer seines Onkels fortsetzen wollte, gebot ihm dieser Einhalt. »Nun gib doch endlich Ruhe, Tobias! Was hat dich dieser Brief zu interessieren!«, sagte er. »Er war an deinen Vater gerichtet, nicht an dich. Du wirst dich eben in Geduld üben müssen, bis du ihn selbst nach dem Inhalt fragen kannst.«
»Das kann aber noch ein, zwei Jahre dauern.«
»Und wennschon.«
»Zeppenfeld hat gelogen! Davon ist Sadik genauso überzeugt wie ich.«
Heinrich Heller seufzte. »Zeppenfeld! Zeppenfeld! Was geht uns dieser Zeppenfeld an, mein Junge? Ich habe dir doch versprochen, dass ich ihm den Spazierstock ohne Legitimation nicht aushändigen werde. Das sollte dich beruhigen. Und wenn er wirklich gelogen hat, was ich persönlich auch für sehr wahrscheinlich halte, dann brauchst du dir erst recht keine Sorgen um deinen Spazierstock zu machen.«
»Aber darum allein geht es doch gar nicht mehr!«
»So? Um was geht es dann?«
»Um das Geheimnis, das mit diesem Stock verbunden sein muss«, erklärte Tobias eindringlich.
Ein belustigtes Lächeln umspielte die Mundwinkel des Gelehrten. »Soso, jetzt ist der Stock schon von einem Geheimnis umwoben. Glaubst du vielleicht, er wäre so etwas wie Aladins Wunderlampe? Oder Merlins Zauberstab? Hat dir das Jana vielleicht eingeredet?«
»Du brauchst gar nicht darüber zu spotten! Und mit Jana hat das nichts zu tun, obwohl auch sie glaubt, dass es ein Geheimnis geben muss!«, erwiderte Tobias verstimmt über die leichtfertige Art, wie sein Onkel die ganze Angelegenheit behandelte. »Irgendetwas muss es mit dem Stock auf sich haben, sonst hätte Zeppenfeld nicht versucht, ihn uns mit Lug und Trug abzuluchsen!«
»Armin von Zeppenfeld mag seine ganz persönlichen, möglicherweise sogar sehr verqueren Gründe haben, weshalb er an diesem vermaledeiten Stock interessiert ist«, räumte Heinrich Heller ein. »Aber das bedeutet noch längst nicht, dass er ein Geheimnis birgt. Gut, er mag viel Geld wert sein, ein außergewöhnliches Sammlerstück. Irgendetwas in der Art. Ich kenne mich auf diesem Gebiet nicht aus und ich habe auch nicht die Absicht, das zu erforschen. Denn er wird den Stock nicht erhalten, das
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