Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
stand vor dem Tor zum Friedhof. Sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck verriet, dass er nicht daran gezweifelt hatte, dass Tobias erscheinen würde.
Tobias ging zu ihm. »Was wollen Sie?«, fragte er brüsk und gar nicht erst um Höflichkeit bemüht.
Das focht Zeppenfeld offenbar nicht an, denn er gönnte ihm ein Lächeln. »Nicht gut aufgelegt, der junge Herr Heller, nicht wahr? Hab vollstes Verständnis.«
»So?«
»Wäre mir nicht anders ergangen. Hab mich nicht von meiner besten Seite gezeigt gestern.«
»Oh, Sie haben eine?«, bemerkte Tobias sarkastisch.
Zeppenfelds Lächeln gefror ein wenig. »Bist nicht auf den Mund gefallen, mein Junge. Keine üble Anlage. Ist im Leben oft von Nutzen. Manchmal aber auch wenig empfehlenswert. Aber muss nicht meine Sorge sein. Bin nicht dein Vater.«
»Gott sei Dank!«
»Wollen versuchen, vernünftig miteinander zu reden. Habe noch einmal gründlich nachgedacht. Wattendorf ist Fehler unterlaufen. Sicher wie Amen in der Kirche. Ist aber nun mal passiert und muss versuchen, das in Ordnung zu bringen. Betrachtest den Spazierstock nun als dein Eigentum, richtig?«
»Allerdings«, erwiderte Tobias.
Zeppenfeld nickte, als würde er das anerkennen. »Gut, gut. Nehmen einmal an, es verhält sich so. Doch was kannst du schon damit anfangen? Ist ohne Wert für dich, der Stock.«
»Da bin ich aber ganz anderer Meinung«, widersprach er.
»Wert schon, aber nicht so wie für mich. Sammle Spazierstöcke. Meine große Leidenschaft. Erwähnte es gestern schon. Bin deshalb bereit, mehr zu zahlen, als er eigentlich wert ist. Eine ganze Menge mehr!«
Tobias schüttelte den Kopf. »Nein. Ich verkaufe ihn nicht!«
»Rede nicht von ein paar läppischen Kreuzern, mein Junge«, fuhr Zeppenfeld fort und zog einen kleinen Lederbeutel aus dem Mantel. »Biete dir eine stolze Summe. Zwölf Goldstücke. Gehören dir. Kannst zehn solcher Stöcke und bessere davon kaufen. Zähl nach!«
Er hielt ihm den Beutel hin.
»Behalten Sie Ihr Geld!«, entgegnete Tobias schroff. »Ich will es nicht. Und wenn es hundert Goldstücke wären, würden Sie ihn nicht erhalten. Für nichts auf der Welt gebe ich ihn her.«
»Nicht so voreilig, mein Freund!«
»Ich weiß alles über Sie!«, sagte Tobias ihm offen ins Gesicht. »Sie sind kein Freund meines Vaters! Er hätte Sie der Tür verwiesen, wenn er gestern da gewesen wäre! Kein Wort hätte er mit Ihnen gesprochen. Sie haben Tarik nachgestellt und alle in Todesgefahr gebracht! Nicht einen Kreuzer würde ich von einem wie Ihnen annehmen!«
Zeppenfelds Augen wurden schmal. »Davon verstehst du nichts! Hatten unsere Differenzen, dein Vater und ich, aber sind längst ausgeräumt. Hat auch nichts mit dem Spazierstock zu tun.«
»Und ob es das hat! Ich glaube Ihnen auch nicht, dass Sie Spazierstöcke sammeln. Bei dem Stock von Wattendorf geht es um etwas ganz anderes! Ich weiß noch nicht, was es ist, aber ich werde es schon noch herausfinden! Sie lügen! Nicht mal mein Onkel glaubt, dass mein Vater Ihnen geschrieben hat. Sonst hätten Sie das Schreiben ja dabeigehabt. Das war eine glatte Lüge, um den Stock in Ihren Besitz zu bringen! Aber so dumm, wie Sie glauben, sind wir nicht!«
Das mühsame Lächeln, das Zeppenfeld bisher noch aufrechterhalten hatte, verschwand von seinem Gesicht. Nun zeigte sich nackte, unverhohlene Wut in seinen Augen.
»Du wirst mich nicht noch einmal einen Lügner nennen, du Rotznase!«, stieß er hervor und packte ihn am Aufschlag der Jacke. »Der Stock gehört mir! Werde ihn auch kriegen! Wirst es nicht verhindern können!«
»Lassen Sie sofort meinen Neffen los!«, rief hinter ihnen die scharfe Stimme von Heinrich Heller. Er eilte mit wehendem Umhang auf sie zu. Zorn rötete sein Gesicht. »Was erlauben Sie sich?«
Zeppenfeld löste seinen Griff mit einem Stoß, sodass Tobias einige Schritte zurücktaumelte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
»Er wollte mich bestechen! Mit zwölf Goldstücken! Aber ich hab ihm gesagt, er soll sich sein Geld sonst wohin stecken!«
»Wagen Sie es ja nicht noch einmal, den Jungen anzufassen!«, herrschte Heinrich Heller ihn an.
»Lasse mich nicht von einem grünen Jungen beleidigen!«, erwiderte Zeppenfeld mühsam beherrscht. Seine Mundwinkel bebten.
»Hatte es nur gut mit ihm gemeint.«
»Das wage ich zu bezweifeln!«, gab Heinrich Heller kalt zurück. »Und den Spazierstock vergessen Sie, Herr von Zeppenfeld! Er steht nicht zum Verkauf. Und auf das entsprechende Schreiben, das Sie
Weitere Kostenlose Bücher