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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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Männer in die Flucht schlagen würde. Aber dieser Angriff erfolgte nicht.
    Das ereignislose Warten zog sich in die dritte Woche. Der April neigte sich seinem Ende zu und das Leben auf Falkenhof lief fast wieder in seinen geregelten Bahnen. Die Spannung der ersten Tage war längst einer mehr beiläufigen Vorsicht gewichen, der jedoch spürbar das Element der Bedrohung fehlte.
    Tobias dachte viel an Jana und sie fehlte ihm mehr denn je. Aus purer Langeweile setzte er seine Studien fort, verbesserte mit Sadiks Hilfe seine Arabisch-Kenntnisse, die jedoch kaum einer Verbesserung bedurften. Er las auch viele französische Bücher, weil Paris ihn wieder lockte, und vertiefte sich in Ermangelung anderer Anreize wieder ins Englische.
    Aber nichts war eine wirkliche Herausforderung, denn das Lernen fiel ihm leicht. Die Früchte fielen ihm sozusagen in den Schoß, ohne dass er sich dafür groß hätte anzustrengen brauchen. Er besaß nun mal die seltene Begabung, eine Seite in einem Buch zu überfliegen, um ohne mühsames Pauken zu behalten, was er gelesen hatte.
    »Du hast ein Gedächtnis wie eine camera obscura«, hatte sein Onkel einmal mit neidvoller Bewunderung gesagt. »Nur dass dein Gehirn nicht acht Stunden Belichtungszeit braucht, um für ewig festzuhalten, was durch deine Augen in dein Gedächtnis gelangt ist. Ein wahrhaft göttliches Geschenk.«
    Von seinem Onkel hatte Tobias auch nicht viel, denn er arbeitete angestrengt wie nie an seinen Schriften für den Geheimbund und hatte zudem die Niederschrift einer Abhandlung über Goethes Farbenlehre in Angriff genommen.
    »Es ist mir ein Rätsel, wie ein so genialer Mann wie Goethe, der doch wirklich Einsichtskraft und Urteilsvermögen in so vielen Dingen bewiesen hat, eine derart lächerliche Farbentheorie aufstellen kann«, ereiferte er sich einmal, als ihm Tobias mit seinen Lehrbüchern Gesellschaft leistete. »Und dann auch noch so verbohrt ist zu behaupten, dass all seine anderen großen Werke wie der Faust und der Götz im Vergleich zu seiner Farbenlehre ohne Bedeutung wären!«
    Tobias war mit Goethes Werken wohl vertraut. Karl Maria Schwitzing war ein großer Verehrer des Weimarers und hatte seinen Unterricht wochenlang nur dessen Dramen gewidmet. Doch von einer Farbenlehre war nie die Rede gewesen.
    »Was hat denn der Herrgott unserer deutschen Dichtung deiner Meinung nach für falsche Farben angerührt?«, fragte Tobias spöttisch.
    Sein Onkel tippte mit seinem Zeigefinger auf eine englische Schrift. »Das hier ist die Abhandlung von Isaac Newton zu diesen Themen. Opticks heißt sie, verfasst 1704. Darin hat der großartige englische Wissenschaftler seine wissenschaftlichen Ergebnisse zum Licht festgehalten. Newton führt darin aus, dass im Licht der Sonne alle Farben enthalten sind und dass das weiße Licht ein Phänomen ist, zusammengesetzt aus den nichtweißen Spektralfarben.«
    Tobias dachte an die Prismenversuche seines Onkels. Oft genug hatte er selbst gesehen, wie sich das weiße Licht brach und zu Farben aufspaltete.
    »Und? Was hat Goethe daran auszusetzen?«, wollte er wissen.
    »Er zerreißt Newton in der Luft! Vierzig Jahre der Forschung hat Goethe in seine Versuche investiert und schließlich ein monumentales mehrbändiges Werk von 1400 Seiten geschrieben – und was ist sein Ergebnis?« Heinrich Heller legte eine Pause ein. »Ein geistiger Furz, wenn du mir diese derbe Bemerkung erlaubst, mein Junge. Um es simpel zu erklären: Er ist überzeugt, dass die Farben ganz und gar nicht im weißen Licht enthalten sind, sondern ›von dem Lichte und von dem, was sich ihm entgegenstellt, hervorgebracht‹ werden. Für ihn sind Farben ›Taten des Lichtes‹, die erst entstehen, wenn dem Licht in Form eines Mediums wie Rauch, Dunst, Wasser und Glas etwas entgegengesetzt wird! Und diese wirre Behauptung feiert er als die Krönung seines langen Schaffens!«
    »Und du bist jetzt zu Newtons Ehrenrettung angetreten«, spottete Tobias.
    »In der Tat!«
    »Mir wäre es lieber, du würdest dich weniger um Goethes Farbentick kümmern als um das, was wir hinsichtlich Zeppenfeld unternehmen können«, sagte Tobias und brachte damit das Gespräch auf ein ihm viel wichtiger erscheinendes Thema. »Wir können doch nicht bis in alle Ewigkeit darauf warten, dass etwas geschieht! Und ich habe auch keine Lust, quasi Gefangener auf Falkenhof zu sein.«
    »Und was soll ich deiner Meinung nach unternehmen? Etwa Sadik losschicken und ihm freie Hand lassen?«
    »Ich weiß es

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