Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
nicht«, brummte Tobias. »Ich weiß nur, dass mir hier bald die Decke auf den Kopf fällt.«
Heinrich Heller sah ihn durch seinen Zwicker prüfend an. »Nun rück schon mit der Sprache raus. Ich seh dir doch an, dass dir etwas durch den Kopf spukt. Irgendetwas hast du dir ausgedacht. Nun denn: heraus damit!«
»Lass mich nach Paris gehen!«
»Paris.« Sein Onkel seufzte. »Und du meinst, da wärest du vor Zeppenfeld sicher.«
»Auf jeden Fall nicht viel gefährdeter als hier!«
»Es ist eine lange Reise dorthin, und wer weiß, ob Zeppenfeld nicht versucht, dich auf dem Weg nach Paris in seine Gewalt zu bringen.«
»Dann gib mir Sadik mit! Zusammen werden wir allemal mit ihm und seinen Komplizen fertig!«, versicherte Tobias. »Außerdem könnten wir es doch bestimmt so einrichten, dass niemand von unserer Abreise etwas erfährt. Wir könnten irgendwo eine Kutsche bereithalten und uns bei Nacht und Nebel aus Falkenhof wegstehlen. Wir würden schon schnell merken, ob uns jemand verfolgt. Sadik versteht sich darauf.«
»Das hast du dir ja schon gut zurechtgelegt.«
»Zeppenfeld kann nicht überall sein, Onkel. Und er hat auch keine halbe Armee, die rund um Falkenhof auf der Lauer liegt. Er ist nichts weiter als ein Schurke.«
»Den man nicht unterschätzen soll.«
»Das habe ich auch nicht behauptet. Aber es lässt sich bestimmt einrichten, dass er nichts von unserer Abreise und unserem Ziel erfährt. Es ist bloß eine Frage guter Planung.«
»Hast du schon mit Sadik darüber gesprochen?«
»Nein. Ich wollte dich nicht vor vollendete Tatsachen stellen.«
»Oh, das klingt ja so, als wolltest du mir gar keine andere Wahl lassen!«
Tobias schüttelte den Kopf. »So ist es nicht, Onkel. Aber irgendetwas muss geschehen. So kann das nicht weitergehen. Für dich ist das ja nicht so schlimm. Du führst dein Leben wie immer, bist mit deinen Studien und Experimenten beschäftigt und bist zudem noch dauernd in Mainz bei – bei deinen Freunden. Abgesehen davon, dass du eine Schrotflinte mitnimmst, wenn du ausfährst, und Sadik ebenfalls bewaffnet ist, hat sich für dich nichts geändert. Kein Wunder, dass dir die Situation nichts ausmacht. Aber was ist mit mir? Ich bin fast drei Wochen nicht mehr vors Tor gekommen. Und ich habe keine Lust, von Sadik und Jakob eskortiert zu werden, wenn ich mal Lust auf einen Ausritt habe. Ich könnte ebenso gut verbannt wie Napoleon auf einer Insel sitzen. So sieht es aus!«
Bedrückt hatte ihm Heinrich Heller zugehört, und er musste zu seiner Schande einräumen, dass er sich über Tobias’ Lage so noch keine Gedanken gemacht hatte. Er hatte nur seine Sicherheit im Sinn gehabt, dabei aber völlig übersehen, dass diese totale Beschränkung auf Falkenhof, ohne jede Ablenkung, für seinen Neffen auf Dauer wirklich eine Zumutung bedeutete.
»Tut mir Leid, dass ich dem so wenig Beachtung geschenkt habe, Tobias«, sagte er nun schuldbewusst. »Du hast natürlich Recht. Es kann so nicht weitergehen. Mir ist zwar nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dich nach Paris zu schicken. Aber möglicherweise bist du dort wirklich besser aufgehoben als hier. Ich werde gleich mit Sadik reden und hören, was er davon hält. Das verspreche ich dir. Wenn wir es sehr umsichtig angehen, könnte es wohl doch gelingen, jedes Risiko für dich auszuschließen.«
Sadik brachte keine Einwände hervor. Er war wie Tobias davon überzeugt, die Abreise unbemerkt bewerkstelligen zu können. Es bedurfte nur einiger Tage der Vorbereitung. Und wenn sich Tobias nicht sehr täuschte, dann war auch er bei aller Zuneigung zu seinem Onkel begierig darauf, dem eintönigen Leben auf Falkenhof den Rücken zu kehren.
Und so wurde beschlossen, diese geheime Abreise in Angriff zu nehmen. Tobias und Sadik hockten den ganzen Abend und die halbe Nacht zusammen, um einen Plan auszuarbeiten, wie sie vorgehen wollten. Beide waren mit großer Begeisterung bei der Sache.
Heinrich Heller dagegen hatte ein ungutes Gefühl, Tobias nach Paris reisen zu lassen, auch wenn er seine Zustimmung gegeben hatte und ihn unter Sadiks Schutz wusste. Was war, wenn alle Täuschungsmanöver misslangen, die die beiden ausheckten?
»Ach, es sind wohl nur die Ängste eines alten Mannes, der für diese Art Aufregungen nicht mehr geschaffen ist. Es wird schon alles gut gehen«, versuchte er sich zu beruhigen. »Und im schlimmsten Fall werde ich eben den verdammten Stock herausrücken. Zum Teufel mit dem Ding! Ich hätte ihn gleich Zeppenfeld überlassen
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