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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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Gleichmäßigkeit des Metronoms übte auch jetzt noch einen magischen Zauber auf ihn aus. Das rhythmische Schwingen des messingbeschwerten Pendels und das monotone Klack-klack trugen ihn stets rasch aus der Wirklichkeit in die Welt seiner Träume. Ihm war dann, als würde das Metronom die Zeit zerschlagen, die seinem Gefühl nach auf Falkenhof zum Stillstand gelangt war – während sie jenseits der dicken Mauern des Gevierts überall mit atemberaubender Geschwindigkeit von einem aufregenden Geschehen zum nächsten raste.
    »Das Leben ist eine saftige, jeden noch so großen Hunger stillende Frucht, die nur unter einer unansehnlichen, schwer zu schälenden Schale verborgen liegt!«
    Tobias erinnerte sich an diese Worte, als er in den grauen Nachmittag hinausblickte. Wer ihn damit hatte trösten wollen, wusste er nicht mehr zu sagen. Sowohl sein Onkel als auch Sadik kamen dafür in Frage. Weisheiten dieser Art hatten beide in ausreichender Zahl zur Hand, wenn es darum ging, ihm Geduld zu predigen und ihn auf später zu vertrösten, wenn er erwacht war.
    Er lachte bitter auf. Von wegen saftige Frucht! Ihm erschien es vielmehr so, als wäre das Leben, zumindest das seine, eine ordinäre Zwiebel. Wie viele Häute man auch von ihr schälte, es erschien darunter doch nur wieder eine weitere Schale. Und statt Hunger zu stillen, biss einem der Saft nur höhnisch in die Augen. Ja, so und nicht anders sah sein Leben aus. Eine reizlose Schale nach der anderen bis zum bitteren Kern, der auch nichts weiter als eine beißende Zwiebelschale war. Nirgendwo eine saftige Frucht!
    Tobias richtete sich abrupt auf, wandte sich vom Fenster ab und brachte das Pendel des Metronoms mit einer fast ärgerlichen Handbewegung zum Stehen. Er nahm das schmale, ledergebundene Buch vom Tisch und verließ sein Zimmer. Onkel Heinrich fragte sich bestimmt schon, wo er denn bloß blieb. Sein Hauslehrer, der schmächtige Schwitzing, hatte sich vor ein paar Tagen mit einer Erkältung ins Bett gelegt. Deshalb achtete jetzt sein Onkel darauf, dass er die Tage nicht allein mit seinen Träumereien verbrachte.
    Er ging den dunklen Flur hinunter, in dem es immer ein wenig muffig roch, ganz besonders während der langen Wintermonate. Falkenhof war einfach zu groß, als dass man jeden Raum richtig warm halten konnte. Noch nicht einmal im Westflügel war das möglich.
    Lang zog sich der Gang hin. Vierundvierzig Schritte hatte Tobias einmal gezählt. Genau in der Mitte lag der Treppenaufgang, der die beiden Stockwerke und den Speicher miteinander verband. Teppiche bedeckten in der Mitte den kalten Steinboden. Hier und da hingen Gobelins an den Wänden sowie romantische Landschaftsmalereien in Öl. Bei dem wenigen Licht sahen sie dennoch sehr düster aus, was auch an den schweren Rahmen mit ihren geschnitzten Verzierungen lag. Lisette hatte die Öllampen noch nicht entzündet, die in regelmäßigen Abständen zu beiden Seiten an den Wänden hingen. Dann hätte alles schon viel freundlicher ausgesehen. So aber bedrückte der dunkle Gang ihn nicht weniger als soeben der Blick auf die kahlen Bäume der Allee.
    In Ägypten brennt jetzt die Sonne vom Himmel, ziehen Kamelkarawanen über endlose Dünenkämme und wiegen sich in grünen Oasen die Wedel hoher Palmen zu Füßen kühl sprudelnder Quellen!
    Tobias gab einen unterdrückten Stoßseufzer von sich und zwang sich, das Bild in seinem Kopf nicht noch weiter auszumalen.
    Auf dem Weg zum Studierzimmer seines Onkels ging er auch am Arbeitszimmer seines Vaters vorbei. Einer inneren Eingebung folgend, blieb er stehen. Nach kurzem Zögern legte er seine Hand auf die Türklinke. Die Tür war unverschlossen und er trat ein.
    Der Raum war nicht sonderlich groß. Manche der Gästezimmer waren gut doppelt so geräumig. Die schweren Vorhänge aus goldbraunem Samt waren fast völlig zugezogen. Nur wenig Licht drang durch einen gerade handbreiten Spalt ins Zimmer, und dieser Dämmerschein betonte in Tobias Augen den besonderen Zauber nur noch, den das Zimmer seines Vaters auf ihn ausübte. Geheimnisse, Abenteuer, fremde Welten – hier wurden sie fast greifbar. Hier sprachen sie mit ihm, lockten ihn und gaben ihm ein Gefühl der Ahnung, wie es sein musste, unter der Sphinx zu stehen, im Wüstensand ein Nachtlager aufzuschlagen oder ins Herz des Schwarzen Kontinents vorzudringen und auf das Wohlwollen von skrupellosen Sklavenhändlern angewiesen zu sein, die Geleitschutz durch kriegerische Gebiete versprachen.
    Erzählte und

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