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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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verschwiegene Geschichten erfüllten den Raum, dass Tobias meinte, vor Erregung und Fernweh kaum noch atmen zu können.
    Da war die große Weltkarte an der Wand mit dem aufregenden Gewirr von Linien, die die Routen früherer Expeditionen seines Vaters darstellten. Daneben die Karte von Afrika, die Küsten voller Details, doch das Innere nur mit spärlichen Eintragungen versehen. Die Sahara! Timbuktu im Westen, Chartum im Osten. Und vor der Ostküste Madagaskar!
    Tobias’ Hand glitt über die kostbaren Bände, die links von der Tür in einem offenen Regal standen. Er kannte jedes einzelne Buch. Die dreibändige Ausgabe von Marco Polos Reisen. Die dicke Abhandlung über den Eroberungszug von Alexander dem Großen. Das Bordbuch des Columbus. Die Eroberungsgeschichte des Pizarro. Cortez und die Vernichtung des Maya-Reiches. Ja, und eines seiner Lieblingsbücher: Die Aufzeichnungen des Weltumseglers James Cook. Seine Reisen ins Südmeer und die Suche nach der Terra Australis.
    Tobias trat zum Schreibtisch. Ein schon brüchiger Bambusfächer bedeckte einen achtlos zur Seite geschobenen Kompass. Daneben ein Sextant, der bei einer Reise beschädigt worden war und nun nicht mehr zur genauen Positionsbestimmung taugte. Er hatte repariert werden sollen, doch es war vergessen worden.
    Ein halbes Dutzend Briefe, beschwert von einem etwa unterarmlangen und genauso breiten Stück Walknochen. Tobias nahm ihn auf. Er kannte jede Einzelheit auswendig, die der Harpunierer eines Walfängers vor über zwanzig Jahren in den Knochen geritzt hatte: Links einen stolzen Dreimaster, den Walfänger Topaz, davor im aufgewühlten Wasser drei Langboote. In jedem stand ein Harpunierer mit wurfbereiter Harpune am Bug, während sich die Männer hinter ihm kräftig in die Riemen legten. Und im Vordergrund dann der riesige Wal, der wohl gerade aufgetaucht war und eine Wasserfontäne ausblies. Unten rechts trug er die Inschrift des Seemanns, der sich auf die Kunst des Schnitzens offenkundig genauso gut verstand wie auf das Harpunieren von Walen: Charles Buckney, 1. Harpunierer der Topaz, Marquesas-Inseln 1807.
    Noch keine zwanzig Jahre alt war sein Vater damals gewesen, als er an Bord der Topaz um die halbe Welt gesegelt war und seine ersten großen Abenteuer erlebt hatte!
    Tobias legte den Walknochen wieder zurück und ließ seinen Blick über das zusammengefaltete Moskitonetz und den ramponierten Tropenhelm wandern, die auf einer Kommode lagen, zusammen mit einer Wasserflasche aus Ziegenleder, einer geflochtenen Peitsche und mehreren ledernen Kartenrollen. Bei den mit bunten Kordeln zusammengebundenen Stößen von Papieren und ausgeblichenen Schreibkladden, die rechts vom Schreibtisch ein ganzes Aktenregal füllten, blieb sein Blick hängen. Oben auf dem hüfthohen Sprossenregal waren, zwischen zwei bronzenen Buchständern in Form von Pyramiden, fast zwei Dutzend Tagebücher aufgereiht. Alle hatten einen weinroten Ledereinband und trugen ein schlichtes weißes Etikett auf der Vorderfront. Darauf hatte sein Vater jeweils nur das Land und den entsprechenden Zeitraum seiner Tagebuchaufzeichnungen notiert.
    Tobias zog aus der Reihe der Tagebücher wahllos eins heraus. Es trug die Aufschrift: Sudan, Mai 1814 – Juli 1814.
    1814! Das Jahr, in dem er geboren war!
    Er schlug das Tagebuch auf und es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, bei dem wenigen Licht die klare, schwungvolle Schrift seines Vaters zu lesen. Falkenhof verblasste zu einer vagen Erinnerung. Sein Herz begann schneller zu schlagen, und ein glückliches Lächeln trat auf sein Gesicht, als er sich in die Aufzeichnungen seines Vaters stürzte und die Beschreibungen seiner Sudan-Expedition so gierig in sich aufnahm wie ein Verdurstender die ersten Schlucke Wasser.
    Er versank völlig in dieser Welt, die vor seinem geistigen Auge zu plastischem Leben erwachte und ihn mit all seinen Sinnen verschlang.
    Dass er nicht länger allein im Zimmer war, merkte er erst, als sich eine Stimme hinter seinem Rücken vernehmbar räusperte und ihn dann fragte: »Sag mal, habe ich dir schon mal die Geschichte vom magischen Ring erzählt?«
    Tobias schreckte zusammen und fuhr herum.
    Sadik stand in der Tür.
     

 
Rätsel des Bàdawi
     
    Tobias fühlte sich wie abrupt aus dem Schlaf gerissen, verstört, noch halb im Traum und unfähig, richtig zu verstehen und zu reagieren. Für einen langen Augenblick starrte er Sadik wie einen Fremden an, ohne recht zu begreifen, was geschehen war und wo er sich denn nun

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