Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
verschwommener heller Fleck ab wie ein Licht im Nebel. Es war auch kälter geworden.
Heinrich Haller schickte einen Blick zum Himmel hoch und sagte mit einem Anflug von Verdrossenheit: »Es wird Schnee geben. Dabei wird es Zeit, dass der Frühling ins Land zieht. Der Winter war lang genug und in einer Woche schreiben wir schon März!«
»Ich glaube, es wird ein interessantes Jahr, das wir alle nicht vergessen werden«, sagte Maurice Fougot, als sie sich verabschiedeten, und schien von seinen eigenen Worten überrascht.
»Ja, dagegen würde ich auch keinen einzigen Kreuzer wetten wollen«, pflichtete Heinrich Heller ihm zu, umfasste die Hand des Franzosen mit beiden Händen und versicherte noch einmal, wie sehr sie alle – er, Tobias und auch dessen Vater – in seiner Schuld stünden. »Ich hoffe, wir hören von Ihnen, auch aus Paris.«
Er versprach es und setzte sich auf den überdachten Kutschbock des Einspänners, während Jakob schon zum Westtor lief und es öffnete. »In den nächsten Tagen schicke ich Ihnen noch etwas für Tobias. Ich hoffe, er wird es zu schätzen wissen. Nun, wir werden sehen«, sagte er leichthin, zog seine Handschuhe über und griff zu den Zügeln.
» Au revoir, mon ami!«, sagte Heinrich Heller bewegt.
Maurice Fougot nickte ihm lächelnd zu. »Au revoir, Monsieur Professeur …! Und sagen Sie Tobias doch bitte bei Gelegenheit von mir, dass ich nicht weiß, wie Froschschenkel schmecken.«
Er erntete einen verständnislosen Blick.
»Jaja, Sie haben schon richtig verstanden!«, rief Maurice Fougot ihm zu und ließ das Pferd antraben. »Sagen Sie ihm nur, ich hätte noch nie in meinem Leben Froschschenkel gegessen!« Er lachte und die Räder des Einspänners ratterten über das Kopfsteinpflaster der Tordurchfahrt.
Jakob zögerte mit dem Schließen des Tores, als wüsste er, dass der gelehrte grauhaarige Herr von Falkenhof dem Franzosen noch einen Augenblick nachblicken wollte.
Heinrich Heller schaute der Kutsche tatsächlich nach, wie sie an den kahlen Ulmen der Allee vorbeizog. Schnell wurde der Hufschlag leiser. Zwei Krähen flogen von einer Astgabel auf und stiegen in den tiefen, grauen Himmel auf. Es lag kaum noch Schnee, sodass die Landschaft einem dreckigen, unansehnlich fleckigen Boden glich. Doch das würde nicht so bleiben.
»Wo bleibt Pagenstecher nur?«, murmelte er vor sich hin, während er den Blick auf die kleiner werdende Kutsche gerichtet hielt. Die Krähen kehrten wieder zurück. »Wenn er doch nur bald kommt und alles bringt, was ich bestellt habe! Was hält ihn nur so lange in Frankfurt auf? Ob er mit meinen Zeichnungen und Angaben nicht klargekommen ist? Unsinn! Pagenstecher ist nicht auf den Kopf gefallen. Und wenn er etwas nicht verstanden hätte, hätte er sich längst gemeldet. Auf ihn ist Verlass. Gewiss wird er bald eintreffen. Und dann wird Tobias erst einmal beschäftigt sein und nicht mehr so leicht auf dumme Gedanken verfallen. Bis in den Sommer wird es ihn bestimmt in Atem halten, dafür werde ich schon sorgen, bei Gott!«
Die Kutsche verschmolz mit den Schatten des Waldes. Heinrich Heller wandte sich ab und ging ins Haus zurück. Dröhnend fiel hinter ihm das Tor zu.
Er lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. »Froschschenkel! Was für ein Tag!«
Expedition Sudan
Tobias stand am Fenster seines Zimmers, die Ellbogen auf die Marmorplatte gestützt und den Kopf in die Hände gelegt. Mit gemischten Gefühlen sah er dem Einspänner seines Fechtlehrers nach. Er ahnte nicht, dass sein Onkel unten am Tor stand und dem Franzosen mit ähnlich nachdenklichem Blick hinterherschaute.
Tobias stand noch dort, als der Wagen von Maurice Fougot längst im Wald verschwunden war und die Allee wieder verlassen dalag. Die Ulmen, in einer beinahe perfekten Doppelreihe ausgerichtet, reckten ihre laublosen Äste wie in einer stummen Geste in den schneegrauen Himmel. Wie eine vergessene Abteilung steif gefrorener Paradesoldaten, fuhr es ihm durch den Sinn.
Das gleichmäßige Ticken des Metronoms, das rechts vom Fenster auf der Kommode stand, erfüllte den Raum. Es gehörte zu den ersten Exemplaren, die der Wiener Instrumentenmacher Johann Nepomuk Mälzel, der das Metronom 1815 erfunden hatte, angefertigt hatte. Onkel Heinrich, an jeder Erfindung stets brennend interessiert, hatte sich sogleich eines aus Wien schicken lassen. Später hatte er es seinem Neffen überlassen, der schon als kleines Kind von diesem Gerät fasziniert gewesen war.
Die
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