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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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Sandes aus unseren Haaren und das Tränen unserer wund geriebenen Augen hören konnte. Jetzt sahen wir, dass zwei unserer Begleiter im Sand erstickt waren, keine zehn Schritte von der Stelle entfernt, wo dein Vater und ich Schutz gesucht hatten. Doch es hätten auch zehn Tagesreisen sein können, denn in dem Sturm verschluckte das sandige Dunkel die eigene Hand vor Augen, wie auch alles andere um uns herum. Doch wir hatten nicht nur die beiden bàdawi, die Beduinen, verloren, sondern auch fünf unserer sieben Kamele, die sich losgerissen hatten. Auch die Stute, die unser kostbarstes Gut trug – nämlich die Schläuche mit unserem maijah. Was wir an Wasser bei uns trugen, hatten wir während der drei Tage und Nächte längst getrunken – zusammen mit noch mehr Sand.«
    Sadik machte eine Pause, und Tobias, der ihm fast andächtig gelauscht hatte, wagte nicht zu sprechen, sondern wartete gespannt, dass er fortfuhr. Das Wissen, dass Sadik und sein Vater der Gefahr entronnen waren, nahm der Geschichte in Tobias’ Augen nichts von ihrer Spannung. Sadik war dabei gewesen! Er hatte all das erlebt, und was konnte ihn auf Falkenhof näher an das Abenteuer, das in seinen Augen das wahre erstrebenswerte Leben war, heranbringen, als ihm zu lauschen?
    »Doch wir hatten Glück«, setzte der Araber dann seinen Bericht fort. »Allah, der Gnädige und Barmherzige, lenkte unsere Schritte in seiner großen Güte in die rettende Richtung und führte uns noch gerade rechtzeitig zu einer kleinen Oase, wo wir Wasser, Obdach und freundliche Aufnahme fanden.«
    Tobias fühlte sich von dem schnellen Ende ein wenig enttäuscht und um einen Gutteil der Geschichte betrogen. »Jetzt hast du aber eine Menge ausgelassen!«
    »Wir waren über ein Jahr unterwegs, und so lange wird Sihdi Heinrich nicht auf dich warten wollen«, erinnerte ihn der Araber an seine Pflicht.
    Tobias seufzte schwer. »Ich weiß wirklich nicht, warum ich mich noch weiter mit Seneca und Ovid und all den anderen Philosophen herumschlagen soll, während all das da draußen in der Welt geschieht!«, beklagte er sich.
    »Die Welt, wie du es nennst, läuft dir nicht davon. Du bist noch jung«, erwiderte Sadik ruhig. »Der Beduine nimmt nach vierzig
    Jahren Rache und glaubt, er habe sich damit beeilt.«
    »Du hast gut reden! Du hast schon so viel von der Welt gesehen und ich versaure hier auf Falkenhof.«
    »Das Heraufsteigen der Leiter geht nur Stufe um Stufe, Tobias. Auch deine Zeit wird kommen.«
    Tobias verzog das Gesicht. »Welch ein Trost!«
    In Sadiks Augen stand tiefes Verständnis. »Ich weiß, es ist schwer für dich, deinen Vater fern von hier zu wissen und dir vorzustellen, was er alles erleben mag. Aber als er in deinem Alter war, hat auch er das Abenteuer nur in Büchern gefunden.«
    »Aber er hatte keinen Vater, der ständig auf Forschungsreisen in fernen Länder war und unglaubliche Dinge berichten konnte, wenn er nach Hause zurückkehrte! Sein Vater war Tuchhändler, der nie über Frankfurt hinausgelangt ist und der nie Pläne für neue Expeditionen geschmiedet hat, sondern nur darüber geredet hat, welches Tuch sich wo zu welchem Preis am gewinnbringendsten veräußern ließ«, begehrte er auf.
    Sadik lächelte. »Wofür seine Söhne ihm heute unendlich dankbar sind.«
    Tobias sah verdrossen drein. »Ich finde das gar nicht lustig.«
    Der Araber nickte ernst. »Nein, ich weiß, wie schlimm es in dir aussieht. Du bist unglücklich. Deshalb solltest du, wie ich schon sagte, die Geschichte vom magischen Ring kennen.«
    Neugier zeigte sich in Tobias’ Augen, während sein Gesicht noch Abwehr zeigte. »Und? Was ist das für eine Geschichte?«
    »Erst musst du mir versprechen, dass du nicht herumtrödelst und sofort zu Sihdi Heinrich gehst, wenn ich sie dir erzählt habe«, verlangte Sadik.
    Tobias zuckte mit den Achseln. Er musste so oder so zu seinem Onkel. Sadik hatte völlig Recht, an der Nase herumführen ließ er sich nicht. »Also gut, ich werde danach nicht mehr herumtrödeln. Und nun erzähl!«
    Sadik nahm das Versprechen mit einem wohlgefälligen Nicken zur Kenntnis. »Es war einmal ein mächtiger König, der alles besaß, was sein Herz begehren konnte. Doch er war nicht zufrieden mit seiner Macht und all seinen Reichtümern. Er war von einer seltsamen Unruhe befallen und spürte unerklärlicherweise ein starkes Verlangen nach etwas, das folgende Bedingungen erfüllen musste: Es sollte ihn traurig stimmen, wenn er glücklich war – und glücklich stimmen,

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