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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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auch mit einer lästerlichen Verwünschung auf den Lippen.
    Dass der Zigeunerwagen aber dann doch nicht ganz den Hang hinunterstürzte, sich überschlug und zerschellte, verdankte er einer knorrigen Eiche. Sie ragte auf halbem Weg abwärts aus der schneebedeckte Erde auf.
    Der bunte Kastenwagen krachte mit der oberen Kante der rechten Seite gegen den Stamm. Holz splitterte. Doch das Gefährt kam zum Stehen. Es war ein sehr harter, abrupter Halt.
    Ein gellender Schrei. Die Gestalt, die vom Kutschbock geschleudert wurde, sah aus wie eine lebensgroße Puppe. Sie flog mehrere Meter durch die Luft, durchbrach ein Gebüsch und schlug am Ufer des kleinen Flusses auf. Schnee stob auf. Regungslos blieb die Gestalt liegen.
    »Allmächtiger!«, stieß Sadik entsetzt hervor. Hastig band er die Zügel um den Griff der Bremse, befreite sich von seinen Decken und schwang sich vom Kutschbock.
    Der Kutschenschlag flog auf. Tobias und sein Onkel sprangen heraus. Jakob Weinroth war ebenfalls vom Bock seines Fuhrwerkes gesprungen, lief durch den Schnee und rief ihnen etwas zu, was sie nicht verstehen konnten.
    »Was ist passiert?«, fragte Heinrich Heller verstört und sah im selben Augenblick den Gauklerwagen an der Eiche auf der Böschung. »O mein Gott!«
    »Das war doch Graf Prettlachs Kutsche!«, rief Tobias nicht weniger erschrocken und verwirrt. Sie hatten nur das Trommeln der Hufe, schrilles Pferde wiehern und dann ein lautes Krachen gehört, gefolgt von einem Schrei, der ihnen durch Mark und Bein gegangen war. Die vier schwarzen Hengste und die rotgoldene Kutsche waren wie ein Spuk an ihrem Fenster vorbeigehuscht. »Hat er den Zigeuner von der Straße gedrängt?«
    Sadik nickte ergrimmt. »Allahs Fluch möge über ihn kommen! Bis in die Ewigkeit soll er in Satans flammendem Feuer brennen! Umgebracht hat er den Zigeuner! Denn den Sturz hat er wohl nicht überlebt.«
    »Sturz?«, wiederholte Heinrich Heller betroffen. »Wovon redest du?«
    Der Araber deutete hinunter zum Ufer des zugefrorenen Flusses. »Da unten liegt er. Als der Wagen gegen den Baum krachte, hat es ihn, wie vom Katapult geschossen, in die Luft geschleudert. Niemand überlebt so einen schweren Sturz!«
    Tobias stieß einen Laut des Erschreckens aus.
    Jakob Weinroth, der sie mittlerweile erreicht und Sadiks Worte gehört hatte, nickte. »Auch ich hab ihn fliegen sehen, Herr. Der ist hin. Macht nur noch dem Sargmacher Freude, der Zigeuner. Aber nur, wenn er auch als Toter für die Kiefernkiste bezahlen kann. Kein weiches Herz, was der Reuthers Carl in seiner Brust trägt. Aber wen wundert’s. Dem Bestatter ist der Tod die willkommene Ernte und auch er liebt nicht den leeren Halm«, sagte er und vergaß in der Erregung und Bestürzung des Augenblicks seine übliche Wortkargheit.
    »Arrogantes Adelsgesindel!«, stieß Heinrich Heller zornig hervor. »Aber was stehen wir hier herum und reden! Vielleicht ist er noch gar nicht tot.«
    Jakob Weinroth schüttelte nur den Kopf.
    Doch Sadik sagte: »Richtig, schauen wir nach. Holen müssen wir ihn so oder so.«
    »Bleib du hier oben«, sagte Heinrich Heller zu seinem Neffen.
    »Nein, ich möchte mitkommen, Onkel!«
    Dieser zog die Augenbrauen hoch, zögerte und sagte dann: »Gut, wenn du den Anblick verträgst, komm mit.«
    Sie stiegen den Hang hinunter, Sadik und Jakob voran, gefolgt von Tobias und seinem Onkel. Am Fuß der Böschung stand der Schnee so hoch, dass sie tief einsackten. Der Wind hatte ihn wohl gegen den Hang getrieben und zu einer kleinen Schneewehe aufgehäuft.
    Die Gestalt lag mit dem Gesicht im Schnee. Die Arme von sich gestreckt und das rechte Bein grässlich verdreht. Blut tränkte den unberührten Schnee an dieser Stelle.
    Tobias schluckte heftig, als sich Übelkeit in ihm regte. Er hatte noch nie einen Toten gesehen, und er wusste nicht, ob sich ihm beim Anblick einer übel zugerichteten Leiche nicht der Magen umdrehen würde. Doch er hatte mitkommen wollen und konnte nun nicht mehr zurück. Er ging näher heran, wenn auch etwas zögerlich. Der gestreifte, in dunklen Farben gehaltene Umhang des Zigeuners war bis zu den Hüften hochgeschlagen und ließ weite braune Hosen sehen, die in kurzen geschnürten Stiefeln endeten. Ihm fiel auf, dass eine Sohle fast völlig durchgelaufen war. Sein Blick ruhte für einen kurzen Moment auf dem rechten Bein, das zwischen Hüfte und Knie gebrochen war. Die Hose war aufgefetzt, und das warme ausströmende Blut dampfte in der kalten Luft des

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