Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
umsichtig ans Werk geht und auch morgen noch für die gute Sache streiten kann, ist mir zehnmal lieber – bei aller persönlichen Anteilnahme für Riebel.«
»Ja, gewiss. Er war reichlich unvorsichtig, vor seinen Schülern kein Blatt vor den Mund zu nehmen«, räumte Florian Kupferberg ein.
»Bedauerlich, aber ich habe es kommen sehen.«
»Wie auch immer, Pizalla hat damit wieder einen mehr auf dem Gewissen! Letztes Jahr Ziegler und nun Riebel! Der Bursche ist schärfer als seine Vorgesetzten.«
»Aber sie pfeifen ihn auch nicht zurück.«
»Pizalla gehört an den nächsten kräftigen Ast geknüpft. Der Teufel soll ihn holen!«, stieß Florian Kupferberg in ohnmächtigem Zorn hervor.
»Ich fürchte, den Gefallen wird uns der Teufel schuldig bleiben.«
»Wir werden noch mehr auf der Hut sein müssen, Herr Professor.«
»Allerdings.«
»Sollen wir unser Treffen besser auf unbestimmte Zeit verschieben?«, hörte Tobias den Buchhändler raunen, während er die Kaspar-Hauser-Broschüre aus der Hand legte und nach einer Abhandlung über den englischen Mathematiker, Physiker und Astronomen Sir Isaac Newton griff.
»Dafür sehe ich keinen Grund«, antwortete sein Onkel. »Riebel gehörte nicht zu unserem Kreis. Ich glaube nicht, dass wir etwas zu befürchten haben, solange wir an unserem vorsichtigen Vorgehen festhalten und keine unnützen Risiken eingehen. Pizalla kann uns nichts anhaben, sofern wir uns hier nur in der Öffentlichkeit strengster Zurückhaltung befleißigen. Unsere Arbeit trägt auf andere Weise Früchte – und ich wage zu behaupten, dass es Früchte sind, die sich dann auch von selbst vermehren.«
Florian Kupferberg nickte mit ernster Miene. »Da muss ich Ihnen beipflichten. Also, es bleibt dabei. Ich lasse Ihnen eine Nachricht zukommen, wenn ich mit den anderen gesprochen habe.«
»Ja, verbleiben wir so«, sagte sein Onkel und fügte noch etwas hinzu, was Tobias nicht verstehen konnte, wie auch nicht die Antwort des Buchhändlers. Denn die beiden Männer entfernten sich nun ein Stück von ihm und Tobias gab es auf, noch etwas aufschnappen zu wollen.
Einige Minuten später drang die Stimme seines Onkels laut durch das Geschäft zu ihm: »Na, hast du inzwischen ein Buch gefunden, das du gern haben möchtest, mein Junge?«
»Nein, heute nicht … bis auf diese Kaspar-Hauser-Broschüre vielleicht«, fügte er schnell hinzu. »Er soll wie ein Tier im Wald gelebt haben.«
»Es gibt auch genügend zweibeinige Tiere in einer Stadt wie Mainz«, erwiderte sein Onkel, worauf Florian Kupferberg ein bitteres Lachen hören ließ, fragte nach dem Preis und bezahlte.
»Alles Gute, Herr Professor!«, wünschte der Buchhändler, als er die Tür entriegelte und sie hinausließ.
Heinrich Heller nickte nur.
Es war jetzt um die Mittagsstunde merklich ruhiger auf der Straße. Und die Hälfte des Weges zur Tuchfabrik gingen sie still nebeneinanderher. Dann sagte Heinrich Heller unvermittelt: »Deinen spitzen, roten Ohren nach zu urteilen, ist dir kaum ein Wort entgangen, das wir gesprochen haben.«
Tobias versuchte erst gar nicht, es abstreiten zu wollen. »Du hättest bestimmt nicht so gut verständlich gesprochen, wenn du gewollt hättest, dass ich nichts davon mitbekomme, Onkel.«
Dieser lachte, und seit Riebels Verhaftung war es das erste Mal, dass die Stimme seines Onkels wieder unbeschwert fröhlich klang. »Du bist wahrlich nicht auf den Kopf gefallen. Es war in der Tat meine Absicht, dass du hörtest, was ich mit Kupferberg sprach. Du bist alt genug, um dir auch darüber Gedanken zu machen. Was ich über Riebel gesagt habe, sollst du dir zu Herzen nehmen. Leichtsinn ist kein Mut und Vorsicht keine Feigheit! Der arme Riebel hat das leider durcheinander gebracht. Du wirst diesen Fehler hoffentlich nie begehen!«
»Ich werde mir Mühe geben«, versicherte Tobias.
»Gut, dann hat das Gespräch ja mehr als einen Zweck erfüllt. Und nun lass uns sehen, ob Jakob und Sadik zum Aufbruch bereit sind.«
Sie waren es. Der in Segelleinwand verpackte Ballon und die Gondel lagen auf dem Fuhrwerk, zusammen mit mehreren dicken Rollen Seil, die Jakob von der Seilerei abgeholt hatte. Auch bei Johann Reitmaier war er schon gewesen.
»Der Mechanikus lässt ausrichten, dass er Ihren Auftrag mit Vorrang ausführen wird«, teilte er Heinrich Heller mit. »Drei Tage wird es aber schon dauern, wie er sagte.«
»Dann wäre ich schon sehr zufrieden«, freute sich Tobias’ Onkel und wollte wissen, ob er und Sadik schon
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