Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
war schwer zu beurteilen. Die Lampe über der Haustür brannte jedenfalls und beleuchtete den ganzen Eingangsbereich. Drei Stufen hinauf, und Brunner stand unter dem kupfernen Vordach vor der Haustür aus schwerem Eichenholz und fixierte das kleine Spionfenster auf Kopfhöhe. Der Klingelknopf aus Messing war in die Türlaibung aus Sandstein eingelassen.
Brunner atmete tief ein. Die rechte Hand steckte in der Manteltasche und hielt die Pistole vorschriftsmäßig den Finger neben dem Abzug platziert. Wenn es die Situation erforderte, würde er einfach durch den Mantelstoff schießen, hatte er sich vorgenommen. Rechts und links von ihm, dicht an der Hauswand, standen zwei Polizisten in Kampfanzügen, die Maschinenpistolen nach oben gerichtet. Ein kurzes Nicken, und Brunner drückte auf den Klingelknopf. Seine angespannte Miene verwandelte sich schlagartig in das freundliche Lächeln eines sympathischen Mannes in den besten Jahren. Als er hinter dem Riffelglas des Türfensters einen Schatten wahrnahm, intensivierte er sein Lächeln. Er wusste, dass man bei diesen Gläsern ungehindert von innen nach außen sehen konnte.
Die Tür wurde einen Spalt weit geöffnet, und Brunner sagte laut und vernehmlich: »Guten Abend, Herr Nachbar.«
Eine freundliche Begrüßung wirkte selbst auf Kriminelle erst einmal vertrauenerweckend, außerdem wollten sich auch Gangster mit den Nachbarn gut stellen. Tatsächlich erwiderte der Mann sein Lächeln, während er die Tür nun ganz öffnete. In der Hand hielt er eine frisch angezündete Zigarette. Brunner lächelte ihn immer weiter an, während seine Nase den Geruch von Marihuana und Alkohol registrierte. Dann ging alles sehr schnell. Brunner machte einen Schritt auf den Mann zu und drückte ihm die Pistole in den Bauch. »Keinen Mucks oder du bist Hundefutter.«
Das war zwar nicht annähernd die offizielle polizeiliche Aufforderung, sich zu ergeben und die Hände zu erheben, dennoch zeigte sie Wirkung. Der Mann hob beide Hände und wehrte sich nicht, als er von den beiden Polizisten, die Brunner einfach zur Seite geschoben hatten, mit wenigen Griffen auf den Solnhofener Schiefer gezwungen wurde, mit dem die Eingangsdiele gefliest war.
Bevor Brunner auch in das Haus konnte, wurde er nochmals zur Seite gedrängt, als nämlich die beiden Polizisten den Gefesselten aus dem Haus zogen und dafür sechs Polizisten in kurzen Abständen ins Haus stürmten.
Die Polizisten vor ihm sicherten Raum für Raum im Erdgeschoss, dann rückten weitere Kollegen in den ersten Stock und gleichzeitig in den Keller vor. Es dauerte keine Minute, dann war das gesamte Haus unter Polizeikontrolle. Aber es war leer.
Außer dem bekifften und betrunkenen Russen, der sich mit gefälschten Papieren als Dominik Hofstätter auswies, war niemand im Haus. Keine Entführer, kein Entführter.
Irritiert, ja geradezu deprimiert, ließ sich Brunner in einen der Sessel im Wohnzimmer fallen und sah Ulmann fragend an, der ihm gegenübersaß.
»Was sollen wir denn jetzt machen? Der Hinweis war absolut vertrauenswürdig.«
»Hat ja auch alles gestimmt«, nickte Ulmann, »nur ist der Vogel ausgeflogen. Vielleicht hat er Lunte gerochen. Mach dir deswegen keinen Vorwurf.«
»Darum geht’s mir doch gar nicht«, knurrte Brunner, der anscheinend wieder sehr schnell zu seiner alten Form gefunden hatte. »Ich hatte gehofft, Walcher hier zu finden.« Brunner fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. »Außer diesem Hinweis hab ich keine Ahnung, wo er stecken könnte.«
Ulmann bot seinem Kollegen eine Zigarette an, die Brunner annahm und ganz selbstverständlich rauchte. In all dem Trubel um sie herum saßen sie wie in einem Club, still und nachdenklich. Ein Mitarbeiter von Ulmann kam und schüttelte den Kopf. »Keine versteckten Räume, Garage, Gartenhaus, Dachboden, auch keine Spuren, dass hier jemand festgehalten wurde. Das Einzige, was irgendwie was bringen könnte, lag auf dem Schreibtisch, oben in dem Arbeitszimmer.« Er hielt Ulmann eine Sichthülle hin, in der ein Brief steckte.
»Immobilienbüro Kohler«, las Ulmann laut vor, »Bregenz, Zahlungserinnerung von letzter Woche. Sehr geehrter Herr Valeskou, wir bedauern außerordentlich, Sie nochmals auf die überfällige Zahlung des vereinbarten zweiten Teils unseres Vermittlungshonorars aufmerksam machen zu müssen. Sicher ist Ihnen nur … und so weiter und so weiter. Der Herr Kohler hat wohl dem Herrn Valeskou eine Immobilie vermittelt und hätte nun gerne sein
Weitere Kostenlose Bücher