Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Honorar.«
Brunner hatte sich langsam aufgerichtet, während Ulmann die Zeilen vorlas, und lauerte wie ein Tiger vor dem Sprung. Wortlos streckte er die Hand aus. Gleichzeitig zog er sein Handy aus der Tasche und wählte. Brunner ließ es so lange klingeln, bis der Ruf automatisch getrennt wurde. Dann wählte er wieder und meinte zu Ulmann: »Jetzt das Handy.«
Kurz danach lächelte Brunner. »Schön, dass ich Sie erreiche, Herr Kohler. Mein Name ist Brunner«, stellte er sich vor und erklärte den Grund seines Anrufes und dass ihm die Uhrzeit scheißegal sei und dass er den Herrn Kohler eigenhändig über die Grenze nach Lindau schleppen würde, wenn der ihm nicht sofort die Adresse der Immobilie von Herrn Valeskou nennen würde, wünschte dann noch eine frohe Nacht und steckte das Handy weg.
Brunner strahlte in die Runde, verlangte Papier und Stift und notierte eine Adresse.
Eine halbe Stunde später kletterte Brunner auf einem Feld vor Grünwald in den Polizeihubschrauber der Fliegerstaffel Süd, eine EC 155, 324 Stundenkilometer schnell, 820 PS Dauerleistung, bei einer maximalen Reichweite von 800 Kilometern und bis zu 15 Sitzplätzen, einschließlich der Besatzung.
Wenn sich dieser Flug nach Lindau als grundlos herausstellen würde, dachte Brunner, wäre mit dem heutigen Polizeieinsatz in Grünwald und dem noch folgenden in Bregenz sein Kontingent für Flops bis zu seiner Pensionierung ausgeschöpft. Um derartige Gedanken zu verscheuchen, hing er beinahe unentwegt am Handy, während die beiden Piloten den Hubschrauber mit ihrem einzigen Fahrgast durch die Nacht steuerten.
Am längsten dauerten die Gespräche mit der Bregenzer Polizei. Es lief etwas zäh, bis die Kollegen jenseits der Grenze aufwachten, durchaus verständlich, denn immerhin war es inzwischen zwei Uhr geworden. Brunners Mitarbeiter dagegen waren sofort am Telefon, in einer halben Stunde würden sich alle am alten Grenzübergang Lindau treffen, um gemeinsam mit den Bregenzer Kollegen das Häuschen des Herrn Valeskou zu besuchen.
Zigarettenpause
»Schade, dass du ihn von hier unten nicht sehen kannst. Der See liegt direkt vor unserer Haustür. Kannst du schwimmen? Klar kannst du schwimmen, alle Deutschen können schwimmen. Ihr lernt so was ja schon in der Schule. Ich hab auch schwimmen gelernt, heimlich, nachts, als ich schon zwanzig war. Da, wo ich herkomme, schwimmt man nicht im Wasser, man ist froh, wenn genügend zum Trinken da ist. Aber so etwas können sich solche Scheißer wie du nicht vorstellen.«
Walcher erwartete wieder einen Schlag oder Stoß, aber er bekam eine Zigarette zwischen die Lippen gedrückt und zog gierig daran, bis sich seine Lungen gefüllt hatten. Solange er konnte, hielt er den Atem an, denn der Stoff betäubte seine Schmerzen, bildete er sich jedenfalls ein. Wieder spürte er etwas an seinen Lippen, das Glas. Der Fusel, den er schluckte, war warm. Nico hatte das Glas zu lange in der Hand gehalten.
Walcher wunderte sich, dass er solche Feinheiten überhaupt noch registrierte. Die Menge, die er inzwischen von diesem Sprit geschluckt hatte, müsste für eine mittlere Alkoholvergiftung ausreichen, aber sein umnebeltes Gehirn hielt sich an die neuentwickelte Strategie: trinken, trinken, trinken, so viel er bekam. Er war felsenfest davon überzeugt, dass Nico einen Betrunkenen weder freudvoll foltern noch ihn umlegen würde. Sadisten haben keinen Spaß an der Folterung, wenn das Opfer nur trunken lallt. Deshalb schluckte und rauchte er willig, was er bekam. Er meinte, auch bei seinem Peiniger einen leichten Zungenschlag herausgehört zu haben, sicher war er aber nicht. Überhaupt fiel es Walcher zunehmend schwerer, seinen Gedanken nachzutorkeln.
»Warum gibt … es kein Wasser, wo du her … kommst«, versuchte er Nico wieder zum Erzählen zu bringen, aber es war die falsche Frage. Allerdings empfand er die Zigarette, die ihm sein Peiniger nun schon zum dritten Mal ins Ohr steckte, nicht mehr so schmerzhaft wie am Anfang. Wahrscheinlich waren die Nerven bereits abgebrannt, oder der Alkohol zeigte seine mildtätige Wirkung. Bei dem Gedanken, dass es aus seinem rechten Ohr qualmte, musste Walcher sogar grinsen, was ihm einen weiteren Schluck einbrachte.
»Irgendwie hast du nicht alle Tassen im Schrank«, hörte er Nico sagen, »andere hätten mir schon längst ihr ganzes Vermögen angeboten.«
»Hab nix«, hickste Walcher und schlief von einem Moment zum anderen ein.
Verkehrsnachrichten Radio Vorarlberg
»… und
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