Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
sich nur noch besoffen und sank wieder auf den Boden zurück. In seinem Kopf wirbelten Fragmente herum, die er nicht mehr fassen, nicht mehr ordnen konnte, die keinen Sinn ergaben.
Formel 1
Mit Blaulicht auf dem Wagendach raste Brunner durch die Nacht. Nach dem Anruf von Frau Dr. Hein und dem Gespräch mit dem Münchener Kollegen jagte er über Marktoberdorf, Schongau und Peißenberg Richtung Autobahn, die von Garmisch-Partenkirchen nach München führte. Bei Starnberg würde er die Autobahn wieder verlassen, um von Süden her München-Grünwald anzusteuern, so war sein Plan.
Brunner empfand es selbst als blinden Aktionismus, was er da tat, aber er konnte einfach nicht dasitzen und aus der Ferne den Ausgang der Aktion abwarten. Telefonieren und organisieren, das konnte er auch von unterwegs, hatte er sich gedacht. Auf der Fahrt wurde ihm klar, dass er die Recherchen dieses verdammten Journalisten längst auch zu seiner Sache gemacht hatte. Und dann sorgte er sich auch noch um Walcher wie um einen guten Freund. Im Formel-1-Tempo raste er weiter. Brunner hielt nur mit Mühe seine aufkeimende Panik im Zaum, die von der Vorstellung genährt wurde, zu spät zu kommen.
Auf der Autobahn Garmisch-München, rief er Walchers Nummer an, denn er war davongejagt, ohne dem versammelten Walcherkreis zu erklären, warum er nach München fuhr. Irmi war am Telefon. »Es sieht gut aus«, rief Brunner gegen das Fahrgeräusch ins Handy. Dabei war es allein seine Hoffnung, denn er hatte keinerlei Beweise für seine Annahme, dass dieser Nicolas Valeskou hinter Walchers Entführung steckte.
Er wollte es einfach glauben und Irmi und den Leuten auf dem Hof ein wenig von ihrer Angst nehmen. Wenn es nicht zutraf, würde man eben weitersehen. »Muss mich auf den Verkehr konzentrieren, melde mich später wieder«, beendete er das Gespräch, das keines war, weil er überhaupt nicht verstand, was Irmi sagte.
Eine Viertelstunde später raste Brunner bei Neufahrn von der Autobahn und auf der Bundesstraße durch Baierbrunn, Buchenhain, Höllriegelskreuth weiter in Richtung Grünwald. In dieser Nacht lernte Brunner das Navigationssystem in seinem Wagen lieben.
Nur knapp zehn Minuten später hielt er hinter dem Streifenwagen, der unauffällig an der Chiemseeer Straße postiert stand, soweit das bei Streifenwagen überhaupt möglich ist.
Die Polizisten, bei denen er angekündigt war, führten ihn zur Einsatzleitung eine Straße weiter, wo ihn Kommissar Ulmann begrüßte, mit dem er seit dem Anruf von Dr. Hein die Aktion am Telefon durchgesprochen hatte. Die beiden kannten sich seit Beginn ihrer Ausbildung, sie waren zusammen auf der Polizeischule gewesen.
»Wir haben extra auf dich gewartet.« Dann kam Ulmann schnell zur Sache. »Das Haus ist in zwei Kreisen umstellt, wir diskutieren gerade, wie wir reingehen.«
»Ich gehe rein«, stellte Brunner klar. »Ich werde klingeln. Zwei von euren Männern postieren sich links und rechts am Eingang, und dann machen wir Tabula rasa, kurz und schmerzlos.«
Ulmann sah Brunner erstaunt an, und einen Moment lang sah es aus, als wollte sich der Münchener Kommissar nicht so einfach dem Kollegen aus Lindau unterordnen, aber dann nickte er zustimmend: »Gut, machen wir es so.«
Er forderte Brunner auf, seine Jacke auszuziehen, und half ihm in eine kugelsichere Weste. Dann hielt er noch einen Pullover hin, und als Brunner auch den ohne Widerrede übergestreift hatte, reichte Ulmann ihm die Jacke. Danach klopfte er Brunner aufmunternd auf die Schultern. »Hätte nicht gedacht, dass ich dir mal in die Jacke helfen würde, wo du doch der Jüngere bist.«
Brunner ließ sich seine weichen Knie nicht anmerken, sondern ging auf das Haus zu, etwas steif allerdings, aber das kam wohl von der Autofahrt. Es war eines jener Häuser aus der vorletzten Jahrhundertwende, die wohlhabende Münchner in dem Dorf Grünwald gebaut und damit den Grundstein für den Nobelvorort gelegt hatten. Inmitten des gut viertausend Quadratmeter großen Gartenparks, der vor allem den gewünschten Abstand zur Nachbarschaft schuf, strahlte der ungeschnörkelte Jugendstilbau immer noch das Selbstbewusstsein des gehobenen Bürgertums jener Zeit aus. In der offenen Einfahrt, wo vielleicht früher einmal ein Landauer, dann ein Daimler für den Hausherrn bereitgestanden hatten, stand heute ein dunkler, mit allerlei Zubehör aufgemotzter BMW . Die Vorhänge in den Zimmern des Erdgeschosses waren zugezogen, und ob in den Zimmern dahinter Licht brannte,
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