Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Wort für Wort gab sie dem Kommissar Doros Abschiedsbrief wieder. Brunner wiederholte Namen und Anschrift dieses Nicolas Valeskou, bedankte sich herzlich und versprach, sie auf dem Laufenden zu halten.
Im Apfelkeller
Ein Stoß gegen sein rechtes Bein weckte Walcher auf. Das grelle Licht der nackten Birne an der Decke blendete ihn, und sofort meldeten sich auch wieder die Schmerzen im Kopf. Vor ihm stand ein Mann, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte. Er stand zwar seitlich von der Glühbirne, aber ihre Blendwirkung war derart stark, dass die obere Hälfte einem schwarzen Scherenschnitt gleichkam. Erst unterhalb der Hüfte waren Details zu erkennen, und die ließen nichts Gutes ahnen. Das Schattenwesen hielt nämlich einen Lötkolben samt Verlängerungskabel in der Hand. An den Kellerwänden standen Regale voll mit Weinkisten aus Holz oder Karton.
In einem Regalbrett lagen Äpfel. Ansonsten war der Raum leer.
»Da haben wir also den Schnüffler, der seine Nase in Angelegenheiten stecken muss, die ihn nichts angehen.« Die Stimme klang warm und freundlich, mit einem weichen Akzent, der Walcher auf einen Tschechen oder Jugoslawen schließen ließ. »Er hat viel Ärger gemacht, der Herr Zeitungsschreiber. Wie will er das jemals wiedergutmachen?«
Der überraschend heftige Tritt gegen seinen Fußknöchel ließ Walcher zusammenzucken, und er begann zu ahnen, dass diese sanfte Stimme nicht unbedingt zu einem sanften Menschen gehörte.
»Ah, wie ich sehe, besitzt der Herr Reflexe, das ist erfreulich, sehr erfreulich. Dann werden wir beide viel Spaß miteinander haben.«
Wieder trat der Mann mit dem Absatz seines Schuhs gegen Walchers ungeschützten Knöchel, und wieder zuckte Walcher vor Schmerzen zusammen. Der Mann drehte sich zur Seite, damit Walcher sein Gesicht sehen konnte, er lächelte freundlich. Überhaupt hatte er ein freundliches Gesicht, fand Walcher.
»Meine Freunde nennen mich Nico, ich möchte, dass du mich auch so nennst, Robert, mein Freund.«
Diesmal knallte er den Absatz auf Walchers rechte Kniescheibe. Das letzte Mal, dass sich Walcher an derartige Schmerzen erinnerte, war der Zusammenprall als Motorradfahrer mit einem Auto gewesen, das ihm die Vorfahrt genommen hatte. Rede mit ihm, dachte er, stell ihm Fragen, verwickle ihn in ein Gespräch, dann ist er abgelenkt.
» Bevor du, lieber Nik«, versuchte Walcher auf den Ton seines Peinigers einzugehen, »mit deiner Gymnastik weitermachst, klär mich doch bitte auf, warum du ausgerechnet mit mir Spaß haben willst.«
Erneut knallte Nicos Absatz gegen Walchers Knie, und er verstand, dass er nicht den richtigen Ton getroffen hatte.
»Nico, Nico, Nico, Nico, nicht Nik und nicht Nikolaus«, brüllte der Irre und trat bei jedem »Nico« gegen Walchers Bein.
»In Ordnung«, stöhnte Walcher, »hab’s kapiert, Nico. Aber klär mich bitte auf, warum das Ganze? Ich versteh’s nicht.«
»Ach schau an, der Schreiberling hat keinen blassen Schimmer, was er angestellt hat, er spielt den Naiven, den Dummen vom Land. Ich will’s dir sagen, mein Freund.« Dieses Mal traf Nico die Ferse. Walchers Fußgelenk explodierte, und er war sicher, dass sämtliche Knochen im Fuß gebrochen waren.
»Du hast mein Lebenswerk zerstört, hörst du, mein Lebenswerk«, zischte Nico und trat mit voller Wucht noch mal gegen Walchers Fuß.
Viel länger würde er diese Schmerzen nicht aushalten, das spürte er. Mit verzerrtem Gesicht fragte er: »Was ist denn … dein Lebenswerk?«
Als Antwort trat ihm Nico gegen die rechte Schläfe. Walcher verlor sofort das Bewusstsein, weshalb er nichts spürte, auch nicht den Schmerz an der linken Gesichtshälfte, mit der er an das Stahlrohr knallte, an das er gekettet war.
Wie lange die erlösende Ohnmacht gedauert hatte, konnte er nicht einschätzen. Im ersten Moment konnte er an überhaupt nichts denken, sondern empfand sich nur als eine Hülle, in der gewaltige Schmerzen tobten. Sein Sehnerv schien beeinträchtigt, oder waren es die Tränen, die ihn seinen Folterknecht nur verschwommen wahrnehmen ließen? Aber er konnte ihn hören, und an der Stimme erkannte Walcher, dass Nico wieder lächelte.
Als ob sie selbständig handelten und wieder einen Schlag erwarteten, verkrampften sich automatisch seine Muskeln, aber dieses Mal schlug Nico nicht zu.
»Schön, dass du wieder bei mir bist. Weißt du, es macht keinen Spaß, mit einem Schlafenden zu spielen. Dir macht das Spiel doch Spaß, oder?«
Walcher ließ sich nicht noch einmal auf
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