Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Schädel, modische randlose Brille, grauer Schnauzbart, den er aber schwarz färbt, stechender Blick, runde Narbe auf dem rechten Handrücken. Wohnort ebenfalls Paris.
Egmont Duvalle, Monti genannt. Welliges blondes Naturhaar, gepflegt, zusätzlich onduliert. Klein, vielleicht einssechzig. Schmales Gesicht, Hakennase. Eitel, fährt sich ständig mit der Hand über die Haare, reckt oft den Kopf himmelwärts. Spricht übertrieben akzentuiert, schnelle flinke Gestik. Dramaturg von Beruf, wie er sagte. Sehr geil, bekam deutlich sichtbar eine Erektion, als die Mädchen hereinkamen. Stammt aus der Nähe von Dijon … So ging es weiter, bis Walcher von allen eine Art Steckbrief notiert hatte, auch vom Comte und dessen Adlatus Maurice.
»Morgen werde ich sie zeichnen, vor allem, um mich an die Typen selber erinnern zu können. Vielleicht werden ja auch Fahndungsfotos für die Polizei daraus«, meinte Walcher auf Johannes’ Frage, was mit den Steckbriefen geschehen sollte.
»Dann wird das hier also unsere Menschenhändler-, Pädophilen-und Sklavenhalterkartei«, bemerkte Johannes.
»Unsere?«, fragte Walcher und lächelte, »willst du damit sagen, dass wir mal wieder zusammenarbeiten? Das würde mich wirklich sehr freuen.«
»Tun wir doch bereits, oder wer, glaubst du, saß in der Personalkammer im Schloss?«, lautete Johannes’ knapper Kommentar.
Kurz darauf bog er auf einen Rastplatz ab, damit die Kinder auf die Toilette gehen konnten, auch wollte er am Steuer abgewechselt werden. Walcher und Johannes wunderten sich, dass die beiden Kinder sich weigerten, den Wagen zu verlassen, und das, obwohl sie einiges getrunken hatten. Johannes versuchte es mit »Pipi, Pisi«, und setzte sich in die Hocke, um ihnen zu demonstrieren, was sie in dem Toilettenhäuschen machen könnten. Aber es half nichts, und als Walcher seine Hand durch die offene Wagentür streckte, um sie zum Aussteigen zu bewegen, zuckten sie zurück und sahen ihn ängstlich an. Da ließen sie es bleiben und fuhren weiter.
In Gedanken versunken schwiegen sie, bis Johannes von seinen Erlebnissen im Schloss zu erzählen begann. Er konnte Bertram, der wohl die Rolle des Faktotums innehatte, in ein Gespräch verwickeln und hatte ihm entlockt, dass beinahe regelmäßig jeden Monat eine Versteigerung stattfand.
»Wenn die pro Monat zehn bis zwölf Kinder verkaufen«, unterbrach ihn Walcher, »dann sind das über hundert Kinder im Jahr, allein in Frankreich, und das ist vermutlich nicht der einzige Händlerring. Das muss doch auffallen! Und dann die Eltern, deren Kinder entführt wurden, das müsste doch einen riesigen Aufschrei geben. Oder hat man denen die Kinder abgekauft? Ich versteh’ das nicht. Außerdem müssen die Kinder ja auch irgendwo leben.«
»Würdest du mitbekommen, wenn sich auf einem der Höfe in deiner Nachbarschaft Pädophile an Kindern vergehen?«, überlegte Johannes laut.
»Vermutlich nicht, wenn überhaupt, würde ich mich höchstens über die häufigen Besucher wundern, aber genau hinschauen? Ich glaub’ nicht, jedenfalls bisher.«
»Ginge mir nicht anders«, stimmte Johannes zu, »und in der Stadt geht das noch mehr unter. Wenn die Kinder nicht gerade jede Nacht wie am Spieß schreien, kümmert sich doch kein Mensch darum, was im Nachbarhaus vor sich geht. Hört man ja beinah jeden Tag, dass irgendwo wieder mal ’ne Mumie entdeckt wurde, und das nur, weil der Briefkasten überquoll. Oder die Fälle, wo sich einer ein Kind als Sexsklavin kidnappt. Wie lange hatte der Österreicher ein Mädchen im Keller versteckt? Aber lass mich vom Schloss erzählen.« Johannes machte eine kleine Pause, in der er sich zu den Kindern umsah, die wieder fest eingeschlafen waren.
»Also, die Käufer und Zwischenhändler stammen aus verschiedenen Regionen Frankreichs, erklärte mir Bertram Bollinger, wie er übrigens mit vollem Namen heißt. Dass du eingeladen wurdest, ist wohl eher ein Zufall oder die reine Geldgier, die Märkte in Europa seien nämlich genau aufgeteilt. Manchmal bringen Kuriere Sonderlieferungen an frischen Hühnchen, wie er sich ausdrückte, aber die sind bestellt und bleiben nur für eine Nacht, maximal zwei Tage. Manchmal werden Mädchen auch zurückgegeben, die bleiben bis zur nächsten Versteigerung im Haus und dürfen bei der Arbeit helfen. Dürfen, hat er gesagt, die jungen Dinger dürfen ihm bei der Arbeit helfen.« Johannes trommelte auf seine Knie. »Dann war da noch so ein Typ, Maskenbildner, dem hab’ ich ordentlich eine
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