Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Haus, um gleich darauf friedlich zusammen Musik zu hören, leider in der Lautstärke ihrer Altersgruppe.
Sie verständigten sich mit Gesten und Mimik, und wenn sie mal gar nicht weiterkamen, versuchten sie es mit Zeichnungen auf Papier oder im Sand, wenn sie gerade auf dem Hof standen. Irmi behandelte die beiden mit großer Freundlichkeit und geradezu außergewöhnlicher Geduld, eine reife Leistung, fand Walcher und vermutlich ein ideales Heilmittel für die Kinder. Auch er wollte seinen Teil zu einer positiven Erfahrung der Mädchen beitragen und forschte das Internet nach der pakistanischen und russischen Küche durch. Aber die in einen Topf zu bringen, schien nicht möglich. Also brutzelte er eine Eigenkreation aus Reis mit Bananen, Rosinen und Äpfeln, gewürzt mit Curry. Als Nachtisch gab’s Birnenschnitze in Naturjoghurt. Dazu kochte er einen Früchtetee, den er anschließend mit Apfelsaft mixte. Bei Aischa und Lavra fand sein Menü reißenden Absatz, während Irmi wissen wollte, wann denn das Hauptgericht käme.
Nach dem Essen halfen die Mädchen das Geschirr abtragen und die Küche aufräumen, ohne dass er sie darum bitten musste, zu seiner Verblüffung brauchte auch Irmi keine extra Aufforderung. Am Abend setzten die Mädchen das Badezimmer unter Wasser, und ihr Kichern war bis in die Küche hinunter zu hören, wo Walcher bei einem Glas Rotwein den ersten Herbergstag ausklingen ließ. Die ungezwungenen Kinderstimmen im Hintergrund bestärkten ihn darin, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, und mit Frau Huber an der Seite würde er die nächste Zeit auch überstehen.
Walcher war dann richtig gerührt, als die Mädchen noch herunterkamen und ihm in ihren Muttersprachen eine gute Nacht wünschten, Irmi natürlich im breitesten Dialekt ihrer Heimat. Kichernd verschwanden sie wieder nach oben, und Rolli war anzusehen, dass er sie liebend gern begleitet hätte.
Der Boss
Ilija Dargilew war der Boss. Er besaß eine natürliche Autorität und genoss bei seinen Mitarbeitern und Geschäftspartnern ebenso wie bei seinen hartnäckigsten Feinden größten Respekt – ein Alphatier. Ilija bezeichnete die Menschen grundsätzlich als Dummköpfe, die er in zwei Gruppen aufteilte. Diejenigen, die für oder gegen ihn waren. Seiner schlichten Philosophie kam entgegen, dass er die Macht und die Skrupellosigkeit besaß, sie entsprechend durchzusetzen. Wer für ihn war, profitierte von der Verbindung zu ihm. Wer gegen ihn war, tat gut daran, ihn zu meiden. Störte jemand seine Geschäfte oder kränkte ihn in seiner Ehre, büßte er dafür mit dem Leben, meist durch einen Unfall. Solche Konsequenz sprach sich herum, jedenfalls unter seinesgleichen.
Davon abgesehen führte Ilija seine Unternehmen mit der Professionalität eines Absolventen der Betriebswirtschaft in Harvard. Gebürtiger Russe, hatte er als Gaststudent zwei Jahre in Boston Internationales Recht und Betriebswirtschaft studiert, seine Studien aber nicht abgeschlossen. Nicht etwa, weil sie ihn überfordert hätten, sondern weil ihn die Einwanderungsbehörde aufgefordert hatte, die Bostoner Universität sowie die Vereinigten Staaten unverzüglich zu verlassen. Ilija hatte nämlich einen schwunghaften Drogenhandel betrieben, schließlich musste er sein Studium ja irgendwie finanzieren. Da er ohnehin der Auffassung war, längst genug gelernt zu haben, beschloss er, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Die Rückkehr nach Russland geriet dann jedoch zu einer hektischen Flucht, nachdem er auf seiner wilden Abschiedsparty einen Kontrahenten im Kampf um die Gunst einer Kommilitonin lebensgefährlich verletzt hatte. Dass die Amerikaner seine Auslieferung forderten, führte zu einem länger anhaltenden diplomatischen Notenaustausch zwischen Russland und den USA , der allerdings ergebnislos irgendwann zu den Akten gelegt wurde.
Ilijas Konzern oder besser gesagt Syndikat war als international tätige Immobiliengesellschaft gemeldet, mit Tochtergesellschaften in immerhin 14 Ländern. Die Geschäfte warfen für die Gesellschafter, die durchweg der jeweils führenden politischen Schicht angehörten, seit vielen Jahren enorm hohe Gewinne ab, was wiederum zu einer hohen Stabilität der Gesellschaft führte. Neben dieser legalen Gesellschaft betrieb Ilija jedoch ein Schattenreich, mit dem er sein eigentliches Geld verdiente. Produktbereiche, wie er es fachmännisch im Wirtschaftsjargon bezeichnete, spannten den Bogen aller illegalen Gewerbe von Glücksspiel über
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