Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
rostfarbener Tarnbemalung – ins Haus zu tragen.
Die Mädchen hatten sie begrüßt und umarmt, als würden sie sich schon lange kennen. Auch Bärendreck und Rolli kamen anmarschiert und holten sich ihre Streicheleinheiten ab. Bei Bärendreck stutzte Doro kurz und meinte: »Dir könnte ein Bad nicht schaden.«
Nachdem Irmi sie aber über Bärendrecks spezielle Vorliebe für frisch ausgebrachte Jauche aufgeklärt hatte, kam der Kater um ein Bad herum, jedenfalls fürs Erste.
Walcher führte sie die Treppe hoch ins Gastzimmer. »Es ist das schönste Zimmer im ganzen Haus«, erklärte er und ging voraus. Mit der kleinen Sitzecke, der Pantry-Küche und dem eigenen Badezimmer war es in der Tat das schönste Zimmer von allen. Die Zimmerdecke hatte er entfernen lassen, so dass der Raum bis unters Dach reichte. Dort befand sich die Schlafecke mit Bücherregalen und Lesesessel. Bis auf den alten Bauernschrank hatte Walcher das Zimmer ausschließlich mit modernen Edelstahlmöbeln und Einbauschränken ausgestattet, was das Ensemble größer wirken ließ. Manchmal, wenn er ungestört lesen und Musik hören wollte, zog er sich hier oben auf die gemütliche Galerie zurück.
»Ich hatte schon befürchtet, dass Sie mich im Hühnerhaus einquartieren«, gab Doro mit entwaffnender Offenheit von sich, »dann kann ich meinen Schlafsack ja getrost im Auto lassen, mein Zelt hab ich sowieso nicht mitgebracht. Das ist hier ja wie in einem Sternehotel.«
Doro war um die vierzig und kämpfte, wie sie lächelnd erklärte, seit zwanzig Jahren mit ihren Pfunden. Besonders hübsch an ihrem rundlichen Gesicht, bei dessen Anblick Walcher jedes Mal an Lebkuchen denken musste, waren ihre großen Augen. Sie strahlten Herzlichkeit und Wärme aus.
Auf jeden Fall war Doro keine Freundin des Müßiggangs. Kaum waren ihre Sachen verstaut, zog sie Wörterbücher, Notizblock und Stifte aus einer Tasche und klemmte sie sich unter den Arm. So marschierte sie zusammen mit den Mädchen wieder nach unten. Walcher setzte sich auf die Terrasse und hörte zu, wie sie sich mit den Mädchen auf Urdu, auf Russisch und auf Deutsch unterhielt. Wenn das so weiterging, dachte er, würden sie bald alle auf Urdu, Russisch und Deutsch radebrechen.
Das Abendessen stellten diesmal die Mädchen zusammen. Es war ein wildes Gemisch aus süßem Reis, Fisch und Schinkenwurst. Dabei übersetzten sie alles, was sie in die Hand nahmen, das Messer, die Butter, das Glas und den Fisch. Nach dem Essen waren die Mädchen entlassen. Walcher wunderte sich, dass Irmi gegen Doros resoluten Führungsstil nicht aufbegehrte, kam aber im Moment nicht dazu, darüber nachzudenken, denn Doro informierte ihn, was SOWID und das Jugendamt bereits alles in die Wege geleitet hatten.
Lavras Daten waren nach Moskau unterwegs, und wegen Aischa hatten Frau Dr. Hein und sie die Deutsche Botschaft in Pakistan kontaktiert. Auch das Internationale Rote Kreuz hatten sie eingeschaltet, das noch immer als eine der bestfunktionierenden Organisationen bei Suchmeldungen galt. Die deutschen Behörden waren ebenfalls verständigt und hatten bereits eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung für die beiden Mädchen ausgestellt.
Die Ausweise der Mädchen waren zwar Originalpapiere, aber mit falschen Namen und falschen Daten ausgestellt. Da sich darin aktuelle Fotos befanden, war anzunehmen, dass Behörden in den Herkunftsländern ihre Finger im Spiel hatten, zumal es in Pakistan Ausweispapiere für Kinder nur auf Antrag gab. Walcher hörte Doro zwar zu, aber er hörte auch die Mädchen im ersten Stock kichern und dachte spontan an die anderen Kinder im Chateau. Vermutlich könnten sie nicht so ungezwungen lachen.
»Irgendwann werden wir auch ihnen helfen können, glauben Sie mir«, unterbrach Doro seine Gedanken.
Walcher war verblüfft. »Wie kommen Sie darauf?«, wollte er wissen.
»Ach, Sie sahen gerade so aus, als würden Sie an die Kinder denken.«
Walcher nickte. »Stimmt, ich hab an sie gedacht und dass wir alles daransetzen müssen, damit diese unglaubliche Sauerei ein Ende hat.«
Auch Doro nickte. »Ich habe das Gefühl, als würde die Polizei so langsam aufwachen und erkennen, dass wir mittlerweile ein riesiges Problem haben. In den vergangenen Jahren hat sich völlig ungestört ein richtiger Markt für Sexsklaven etabliert. Deswegen ist es so wichtig, dass möglichst viele Leute wie Sie das Thema aufgreifen und die Menschen wachrütteln. Und es ist ja nicht nur der Handel mit Mädchen und Frauen,
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