Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Sonnenbrillen, schwarze Rollkragenpullis, schwarze Lederjacken, schwarze Stoffhosen und schwarze, hochglänzende Schuhe mit auffallend dicker Sohle.
Bis auf seinen Totschläger in der rechten Jackentasche war Lovis unbewaffnet, und so eine Metallkugel eignete sich nicht zur Abwehr gegen Pistolenkugeln. Lovis versuchte ein Lächeln, was bei seinem Narbengesicht eher nach einem Fluch aussah, bewegte nervös-fahrig die Hände und fasste sich an die Brust, dort wo das Herz saß. Mit der Geste »Hand aufs Herz« wollte er seine Aufgeschlossenheit für neue Kooperationen ausdrücken, aber bevor er dazu ein Wort sagen konnte, durchschlug eine Kugel die Hand, das Herz darunter, und auch das Glas der Vitrine hinter ihm ging noch in die Brüche. Das Projektil aus der Pistole des zweiten Mannes stanzte ein Loch in Lovis’ Stirn.
Der dritte Schütze wartete, bis Lovis auf dem Boden lag, und jagte ihm erst dann eine Kugel in die Schläfe.
Die neuen Pächter hatten Einzug gehalten.
Katerstimmung
Susanna musste zum Bus, ihr Ensemble gab am Abend ein Konzert in Dijon, Walcher musste nach Zürich, Irmi abholen. Ihr Abschied gestaltete sich deshalb höchst unromantisch, im Halteverbot direkt neben dem Bus, in dem bereits das Ensemble vollzählig saß und auf Susanna wartete. Eine flüchtige Umarmung, ebenso der Kuss. Vielleicht war das ja eine gute Möglichkeit, auch Trennungsgefühle flüchtig zu halten.
Die machten sich in Walcher erst breit, als er mit Schweizer Tempo auf der Autobahn fuhr. Es war eindeutig, er war in Susanna verliebt. Schon in den vergangenen beiden Tagen hatte es Anzeichen dafür gegeben. Und nun überkam ihn bei der Vorstellung, auf Susannas Nähe die nächsten 14 Tage verzichten zu müssen, auch noch das Gefühl von Traurigkeit! Walcher war überzeugt, dass dies keine flüchtige Episode bleiben würde. Sie passten gut zusammen. Es war nicht nur die körperliche Anziehung. Hinzu kam die Übereinstimmung in den wesentlichen Sinnfragen des Lebens, Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Ernährung … Sie hatten kein Thema ausgelassen und dabei eine geradezu beängstigende Harmonie festgestellt.
Der zunehmende Verkehr vor Zürich weckte Walcher aus einer Mischung von Erinnerungen an die zurückliegenden Tage und Visionen für die Zukunft und holte ihn in die Realität zurück. Irmi saß reisebereit mit der gepackten Tasche in Johannes’ Wohnung, bevor es aber nach Italien ging, übergab ihm Johannes noch einen Stapel Kopien.
»Hier, von wegen saubere Schweiz. Unicef vermutet, gestützt auf die Zahlen von Justiz und Gesundheitsämtern, plus der Dunkelziffer, dass jedes fünfte Mädchen und jeder zehnte Junge missbraucht werden. Das sind in unserer kleinen Schweiz bei zirka einer Million Kindern bis sechzehn Jahren an die 150 000 Kinder pro Jahr! Nimm’s mit und lies es in Ruhe, wenn wir nämlich jetzt ins Detail gehen, kommt ihr heute nicht mehr nach Italien. Hier ist alles drin, Anklagen, Verurteilungen, Präventionen und so weiter. Hab alles gesammelt, was ich finden konnte.«
Walcher nickte und nahm den schweren Papierstapel.
»Und ich dachte schon, ich müsste mir was zum Lesen kaufen!«
Auf der Treppe nach unten berichtete Johannes, was er über Jeswita Drugajews Entführung herausgebracht hatte.
»Es gibt keinerlei Lebenszeichen von ihr, die Kripo Zürich hat die Ermittlungen eingestellt«, zuckte er mit den Achseln.
Sie verließen gerade das Haus, als eine Züricher Politesse Walchers Kennzeichen in ihren Strafzettelcomputer eintippen wollte. Der Wagen stand mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig, und das ohne Parkzettel. Zwei Delikte gleichzeitig waren zu viel. Da half es auch nichts, dass Walcher argumentierte, dass er nur die Tochter abgeholt hätte und, weil auf der Durchreise, keine Franken für den Parkautomaten zur Hand gehabt hätte. Das Ticket war bereits ausgedruckt. Walcher beschloss, sich dadurch seine gute Laune nicht verderben zu lassen, und übergab Johannes das Ticket zum Abschied.
Zehn Minuten später lag Zürich hinter ihnen, und sie freuten sich auf ihre ersten gemeinsamen Ferien.
Irmi erzählte von der Bergtour mit Marianne und Johannes und von Mariannes Cousin, der auch mit dabei gewesen war. Ein grässlicher Typ allerdings, der sie nur ständig blöd angemacht und auf der Tour ununterbrochen gejammert hatte. »Und wie war’s bei dir?«, wollte Irmi wissen.
»Hmm«, überlegte Walcher, was man in solchen Fällen antworten könnte. »Also wir haben uns blendend
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