Falkensaga 02 - Im Auge des Falken

die Augen und sprang auf. Es bestand kein Zweifel daran. Es war Bretta, die den Wagen fuhr. Das Fuhrwerk war mit allerlei Hausrat beladen.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragten Alduin und Erilea wie aus einem Mund, als sie sahen, wie blass ihr Freund geworden war.
    »Ich ... Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat ... Da ist etwas, wovon ich euch nie erzählt habe, aber ...«
    Alduin stand auf, legte Rael beruhigend eine Hand auf die Schulter und stellte dabei fest, dass sein Freund zitterte.
    »Rael, hast du ein Gespenst gesehen?« Auch Erilea hatte sich erhoben und blickte den Freund erstaunt an.
    »Ich ...«, japste er. »Oh du meine Güte ... Ich weiß nicht, was ich tun soll ... oder was das zu bedeuten hat.«
    »Rael, du redest wirres Zeug!«, ermahnte ihn Alduin und schüttelte ihn leicht.
    Der Wagen kam näher, und Sivella kreiste darüber.
    »Ist das jemand, den du kennst?«
    »Ja, es ist der Knabe, Triel. Ich hab euch von ihm erzählt. Lotans Neffe.«
    »Und wo ist das Problem?«
    »Es geht nicht um den Jungen ... Sondern darum, wer mit ihm reist.«
    »Und das wäre?«
    »Seine Mutter ... es ist Bretta.«
    Mit einem Schlag verstand Alduin. Die Art, wie er den Namen aussprach, war eindeutig.
    Benommen setzte Rael sich in Bewegung und ging auf den Wagen zu, der mittlerweile angehalten hatte. Bretta und Triel sahen ihm entgegen. Alduin und Erilea folgten ihrem Freund mit einigem Abstand.
     
    Ganz im Gegensatz zu ihrem letzten Zusammentreffen war Triel überraschend still, als der junge Falkner an den Kutschbock trat. Ein Strahlen lag in seinen Augen, als er Sivella sah, doch jetzt ließ er den Blick zwischen Rael und seiner Mutter hin- und herwandern.
    »Bretta«, war alles, was Rael hervorbrachte.
    Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, bis sie endlich sprach und dabei die Augen niederschlug.
    »Es gab einen Unfall«, begann sie. »Sie hatten noch nicht tief in den Fels gegraben, trotzdem ist er eingestürzt. Lurd ... Lurd wurde dabei getötet.«
    Triel griff nach der Hand seiner Mutter, fast so, als wolle er die Rolle des Mannes in der Familie übernehmen, während er tapfer gegen die Tränen ankämpfte.
    »Plötzlich wollte ich ... ich wollte nach Hause zurück«, fuhr sie fort und schaute zu Rael auf, als wollte sie abwägen, was er denken mochte.
    Rael wagte nicht zu sprechen. Er kletterte stattdessen auf den Kutschbock neben sie und nahm ihr die Leinen aus der Hand. Er schnalzte mit der Zunge, gab mit den Zügeln nach und trieb das Maultier voran. Sivella sandte er mit der Botschaft voraus, sie bei Brettas altem Familiensitz zu erwarten.
    Verdutzt standen Alduin und Erilea Hand in Hand da und beobachteten schweigend, wie der Wagen davonrollte. Rihscha flog vom Meer herauf, umkreiste sie noch einmal, um sich zu vergewissern, dass es ihnen gut ging. Dann folgte er Sivella.
    »Habe ich mir das eingebildet, oder hat Rael gerade eine Familie bekommen?«, fragte Alduin lachend.
    »Oh, das ist einfach zu schön«, gab sie seufzend zurück. »Möge Emo sie segnen. Erinnerst du dich? Sie hat gesagt, der Macht der Liebe könnte sie nicht widerstehen.«
    Alduin nahm Erilea in die Arme und sah ihr in die Augen.
    »Sollen wir auch um Emos Segen bitten?«, fragte er leise.
    »Den hat sie uns bereits gegeben. Das hat sie mir verraten«, flüsterte Erilea, bevor ihre Lippen sich berührten.

Glossar
     
    Alduin: Jungfalkner, Gefährte des Marvenfalken Rihscha; Aranthias Sohn
    Andaurien: Land nördlich der Wüste, in das die Stämme von Nymath vor Jahrhunderten fliehen mussten
    Aranthia: Alduins Mutter; gehört dem Wunand-Stamm an, zog es jedoch lange Zeit vor, allein als Heilerin im Wald zu leben
    Arek: Wildkatze; kommt in den westlich vom Fluss Mangipohr gelegenen Wäldern vor
    Arnad: Fluss zwischen dem Nordrand des Pandarasgebirges und der Wüste
    Asnar: Gott der ruhenden Macht, des Krieges und der Verteidigung, verehrt von den Katauren
    Bactistrauch: Strauch mit großen roten Blüten und süßen Früchten
    Bardelph: Fallensteller vom Stamm der Raiden, Freund von Aranthia und Alduin
    Bralt: kataurischer Schankwirt in Thel Gan, Brends Bruder
    Brend: kataurischer Schankwirt in Lemrik, Bralts Bruder
    Bretta: junge Raidin, die Rael kennen- und lieben lernt, Ehefrau von Lurd und Mutter von Triel
    Brillit: ein Flussfisch, in etwa vergleichbar mit der Forelle
    Burak: in Nymath vorkommende Rehart
    Cal (Calborth): Alduins verschollener Vater vom Stamm der Raiden, nicht zu verwechseln mit Calborth, dem