Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
ihr widerfuhr. Auch Rael beobachtete das Geschehen entgeistert, doch dann lief er los, um seinem Freund zu helfen, der sich mit Mühe aufsetzte.
Nur wenig später tauchten Rihscha und Sivella wie aus dem Nichts auf. Sie stießen Seite an Seite herab und ließen sich auf den Armlehnen nieder.
»Erilea, weine nicht«, sagte Alduin, zog sie neben sich und umarmte sie. »Weine nicht.«
Rael schaute zu den beiden Gottheiten.
»Was ist geschehen?«, fragte er schüchtern.
»Alduin hat sich dafür entschieden zurückzukehren«, antwortete Gilian.
Als Alduin die Stimme des Gottes hörte, stand er auf, näherte sich den beiden und verneigte sich. Die Erinnerungen an die Reise verblassten schon jetzt wie ein Traum nach dem Erwachen. Je mehr er versuchte, daran festzuhalten, desto schneller entglitten sie ihm.
»Versuch nicht, dich daran zu klammern«, riet Gilian. »Lass es einfach zu. Wann immer du etwas fragst, wirst du die Antwort haben.«
Erilea und Rael standen nun neben Alduin. Gilian und Emo musterten sie nacheinander, verständigten sich mit ihnen ohne hörbare Worte und bedachten sie mit einem Geschenk für die Zeiten, die vor ihnen lagen.
Schließlich drehten sich Gilian, der Gott, dem die Raidenfalkner von Nymath huldigten, und Emo, die Göttin der Wunand, langsam um und verschwanden in den Schatten.
Alduins Blick konnte sich lange nicht von der Stelle lösen, an dem noch eben die beiden Götter gestanden hatten. Sein Herz war von einer süßen und doch schmerzlichen Freude erfüllt. Schließlich schüttelte er Rael dankbar die Hand und umarmte Erilea abermals.
»Rael, du bist auch hier? Was ist denn in der Zwischenzeit geschehen? Wie habt ihr zwei mich gefunden?«
»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete Rael aufatmend. »Und ich scheine in letzter Zeit ständig am Verhungern zu sein. Was meint ihr? Kehren wir zuerst zum Lager zurück?«
Obwohl Erilea die Aussicht auf eine weitere Reise über das Wasser nicht sehr freudig aufnahm, ließ sie sich von Alduin an der Hand nehmen und folgte den beiden Falknern die gewundene Treppe hinauf. Rael führte die Gruppe an, Rihscha und Sivella waren bereits vorausgeflogen.
»Wartet«, sagte Rael plötzlich verwirrt und blieb stehen. »Über uns scheint eine Falltür zu sein. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich sie vorher gesehen habe.«
»Ich auch nicht«, bestätigte Alduin. »Aber wie sind Rihscha und Sivella hinausgekommen?«
Zusammen drückten die beiden jungen Männer gegen das Holz der Tür. Zu ihrer Überraschung ließ es sich leicht anheben, obwohl es teilweise verdeckt war - von einer Matte oder einem Teppich. Als die Falltür aufschwang, drang das matte Licht eines neuen Tages zu ihnen herunter.
»Was bei ganz Nymath?«, hörte Erilea Rael, gefolgt von Alduins Ruf: »Bei Gilians heiliger Feder, das ist unglaublich!«
Die jungen Falkner halfen Erilea die letzten Stufen herauf. Als sie den Raum betrat, wurde ihr sofort klar, was die beiden gemeint hatten. Sie waren plötzlich in der kleinen Kate, bei der sie die Pferde zurückgelassen hatten! Die beiden Falken hockten nebeneinander auf der Sitzstange und putzten ihr Gefieder.
»Sagt bloß, dieser Eingang war die ganze Zeit hier?«, rief Erilea. Sie erinnerte sich an den gefährlichen Aufstieg, ihre Verzweiflung, als sie dachte, auf der falschen Insel zu sein, und die Herausforderung, das Wasser zu durchwaten.
Doch noch während sie sprach, konnte sie beobachten, wie die Falltür schimmerte und langsam verschwand. Statt ihrer war nur noch der feste Boden der Kate.
»Offensichtlich sind die Götter in der Lage, Trugbilder zu erschaffen«, sagte Alduin nachdenklich. »Sie wissen, wie das geht.«
»Ich schätze, darum sind sie ja auch Götter!«, kicherte Erilea. »Ich bin immer noch am Verhungern, und unsere Jagdausrüstung ist noch oben auf der Insel«, jammerte Rael.
»Wenigstens ist noch alles da, was wir hiergelassen haben«, stellte Erilea mit einem Blick auf die paar Habseligkeiten fest, die sie in eine Ecke gestapelt hatten.
»Naja ...«, setzte Alduin an, ging hinüber zum Schrank und öffnete eine der Türen. »Aha! Wie ich vermutet habe. Sie haben an alles gedacht.«
Er holte getrocknete Fleischstreifen, Früchte, Nüsse und Käse hervor, dazu eine Flasche Met und sogar ein Messer. Stolz präsentierte er seinen Freunden die Schätze.
»Lasst uns essen!«, drängte er.
»Ja, aber draußen«, warf Erilea ein. »Es sieht mir nach einem prächtigen neuen Tag aus.«
Fea Lome und
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