Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
Fährmann war ein mürrischer Geselle, und Rael fragte sich, wie Bretta Tag für Tag damit leben konnte. Nachdenklich wandte er sich ab und ging am Bootsschuppen vorbei zum Haus des Fährmannes. Bevor er zur Tür ging, wusch er sich noch kurz die Hände im Regenfass. Er klopfte und wartete, dass Bretta ihm öffnen würde. Doch im Haus war es still. Vielleicht ist sie kurz rausgegangen, dachte er und fragte sich, ob es ihr wohl recht wäre, wenn er einfach hineingehen und sich hinsetzen würde? Dann öffnete sich die Tür schwungvoll, und sie stand vor ihm mit einem stillen Lächeln.
Rael spürte, dass ihre zurückhaltende Gelassenheit gespielt wirkte, als versuche sie, mit einer Maske ihre Gefühle zu überdecken. Er überging seine Beobachtungen, denn es lag ihm fern, in sie eindringen zu wollen. So malte er sich sein eigenes Bild.
»Willkommen zurück, Falkner«, begrüßte sie ihn. »Triel sagte mir, dass Ihr zurückgekehrt seid. Bitte tretet doch ein.«
»Danke«, antwortete er höflich, folgte ihr ins Zimmer und setzte sich auf denselben Stuhl, auf dem er schon einige Tage zuvor gesessen hatte.
»Eure Reise war kurz«, fuhr sie fort. »Ich hoffe doch, es ist alles gut verlaufen.«
Rael war dankbar, über etwas reden zu können, und griff das Thema auf. Ohne auf alle Einzelheiten einzugehen, erzählte er von der Suche nach seinen beiden Freunden und dass er sie früher als erwartet gefunden hatte. Als er geendet hatte, kamen Lurd und Triel zur Tür herein.
Bretta tischte das Abendbrot auf, und sie aßen schweigend, fast so als würde es der Anlass gebieten. Die Stille lag wie ein Bann lastend im Raum und wurde erst dann gebrochen, als Lurd das Wort ergriff.
»Wo habt ihr Euer Pferd gelassen?«, fragte er.
»Ich habe es meinen Freunden überlassen. Sie reisen auf einem anderen Weg als ich.«
»Und Euer Weg - wo führt er Euch hin?«
»Nach Sanforan. Ich muss so schnell wie möglich dorthin.«
»Zu Fuß ist das ein langwieriger Marsch«, meinte Lurd. »Hatte gehofft, ein Wagen würde vielleicht in die Richtung fahren.«
»Fährt nicht Jad morgen?«, warf Triel mit seiner hohen Knabenstimme ein. »Du hast doch gesagt, wir brauchen Material für die Mine.«
Lurd warf ihm einen strengen Blick zu, der nur allzu deutlich machte, dass er besser sein Mundwerk in Zaum halten sollte. Der Junge verstummte. Rael versuchte, die Situation aufzufangen, und hakte mit einer beschwichtigenden Geste ein: »Habt keine Sorge«, beruhigte er den Fährmann. »Ich habe von euren hoffnungsvollen Aussichten gehört. Bei meiner Ehre als Falkner gelobe ich, keinem davon zu erzählen. Dessen könnt ihr gewiss sein.«
Lurd nickte und gab sich damit zufrieden.
»Jad bricht beim ersten Tageslicht auf. Ich gebe ihm Bescheid.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stand Lurd auf und ging nach draußen.
»An dem Tag, an dem ihr das letzte Mal bei uns wart, sind ein paar der Männer auf einen vielversprechenden Fund gestoßen. Jetzt haben sie Pläne geschmiedet, wie sie das Gebiet am besten abstecken können«, erklärte Bretta. »Sie wollen dann ihren Anspruch geltend machen und die Mine registrieren lassen. Aber sobald die Nachricht die Runde macht ...«
»... wird dieser Ort sich verändern«, beendete Rael den Satz an ihrer Stelle.
»Ich weiß. Der Schürfgrund liegt ein gutes Stück flussaufwärts«, sagte sie. »Mit etwas Glück werden die Goldsucher ihre Lager in der Nähe der Mine aufschlagen. Vielleicht bekommen wir dann hier unten gar nicht so viel davon zu spüren.«
Rael entschied, nicht weiter darauf einzugehen. Sollte tatsächlich Gold gefunden werden, so vermutete er, würde sich der Ansturm hoffnungsvoller Goldsucher aus allen Winkeln Nymaths kaum aufhalten lassen.
»Gibt es einen Platz, an dem ich die Nacht verbringen kann?«, fragte er stattdessen. »Muss nur ein stilles Eckchen sein, irgendwo. Ich war den ganzen Tag auf den Beinen.«
»Im Bootshaus ist eine Hängematte«, rief Triel spontan und wandte sich seiner Mutter zu. »Dort kann der Falkner doch sicher schlafen, nicht wahr?«
»Aber sicher«, sagte sie und nickte zustimmend. »Ich gebe Euch eine Decke. Damit solltet Ihr es recht gemütlich haben.«
Sie zog den Vorhang auf, der den Raum teilte, und kam kurz darauf mit einer Wolldecke unter dem Arm zurück.
»Zeig dem Falkner den Weg«, forderte sie ihren Sohn auf und reichte Rael die Decke. »Lurd kommt Euch morgen früh wecken.«
»Werde ich Euch noch sehen, bevor ich aufbreche?«, wollte Rael
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