Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
wissen.
»Ich glaube nicht«, gab sie zurück. »Wohlbehaltene Reise.«
Eine lange Weile schaute Rael ihr in die Augen, und es war das erste Mal an diesem Abend, dass sie seinem Blick standhielt. Er legte die Hand auf seine Brust. »Möge Gilian über Euch wachen. Lebt wohl.«
»Kommt schon!«, rief Triel ungeduldig von draußen.
Mit schwerem Herzen folgte Rael dem Knaben in die Dunkelheit. In der Hängematte schloss er die Augen und verband sich für einen kurzen Moment mit Sivella, um sich abzulenken. Doch der Falke schlief.
Noch immer brannte Brettas Blick tief in seiner Seele, und mit einem Mal fühlte er sich unendlich einsam.
Die tiefe Ladefläche von Jads Wagen war nur mit ein paar sperrigen Gegenständen beladen, die er mit einer Plane abgedeckt hatte. Rael kletterte an der niedrigen Seitenwand auf den Kutschbock, setzte sich neben Jad und winkte Lurd noch einmal zu, als das Maultier wacker den Wagen anzog. Bretta und Triel schienen noch zu schlafen.
In der vorangegangenen Nacht, bevor er in einen unruhigen Schlaf glitt, hatte Rael eine Botschaft vorbereitet, mit der er seine Ankunft in Sanforan ankündigen wollte. Als das erste blasse Hell sich am Himmel abzuzeichnen begann, hatte er Sivella auf die Reise in die Falkenhalle geschickt.
Jetzt war auch er unterwegs und konnte es kaum erwarten, die Stadt zu erreichen und die Träume hinter sich zu lassen, die seine innere Ruhe durcheinanderbrachten.
Zu Raels Erleichterung war Jad nicht weniger wortkarg als Lurd. Er zog es vor, seine Pfeife zu rauchen und vor sich hin zu summen, während der Wagen über den staubigen Weg ratterte. So konnte Rael immer wieder Verbindung mit Sivella aufnehmen und miterleben, wie sie am frühen Nachmittag über die Stadtmauern flog und auf der Falknerstatue vor der Falkenhalle landete.
Die Statue war längst zu einem gewohnten Landeplatz der Falken geworden, und so dauerte es auch nicht lange, bis Sivella entdeckt und Meister Calborth gerufen wurde.
»Komm her, meine Schöne«, sagte Calborth und lockte Sivella auf seine Faust. »Du bringst uns eine Botschaft von Rael.«
Während er sie in die Falkenhalle trug, streichelte er ihr Gefieder und flüsterte ihr Kosewörter zu. Er setzte sie auf eine Stange, löste behutsam die winzige Schriftrolle und las. »Gilian sei gepriesen«, murmelte er.
Er fütterte Sivella mit ein paar saftigen Leckerbissen und lobte sie dafür, dass sie die Nachricht so schnell und sicher überbracht hatte. Dann trug er sie wieder hinaus und ließ sie fliegen. Gleich darauf ging er auf die Suche nach Aranthia, um ihr die frohe Nachricht zu übermitteln. Er fand sie in der Apotheke.
Um sich von ihren Sorgen abzulenken, hatte sie sich vorgenommen, den Raum von Grund auf zu säubern, hatte alle Salben und Tinkturen geprüft und sich vergewissert, dass keine ranzigen Öle darunter waren.
»Wir haben eine Nachricht von Rael erhalten«, verkündete Meister Calborth. Ein strahlendes Lächeln legte sich über sein Gesicht.
»Alduin? Hat er Alduin gefunden?«
Der alte Mann nickte. Einen Augenblick sah sie ihn gebannt an, und dann brach sie vor Erleichterung in Tränen aus.
Mit mächtigen Flügelschlägen stieß Sivella herunter und landete sicher auf dem Kutschbock des Fuhrwerks, das Jad im Schutz der Bäume abgestellt hatte. Die beiden Reisenden waren gerade dabei, das Nachtlager aufzuschlagen.
Rael ließ die Kiste mit dem Anzündholz fallen und rannte zu Sivella. »Meine Schöne«, begrüßte er sie und strich über ihr Gefieder. »Auf dich ist doch Verlass«, lobte er sie für ihren zuverlässigen Dienst. »Sind alle wohlauf in Sanforan?«
Plötzlich hörte er ein überraschtes Grunzen. »Was im Namen Nymaths tust du denn hier?«, hörte er Jad ausrufen, der gerade den Proviant ablud.
»Ich ... ich hab nichts Böses im Sinn. Ich wollte nur ... Ich wollte ... na ja, sehen ...«
»Triel!« Völlig entgeistert starrte Rael den Jungen an. »Das darf doch nicht wahr sein!«, rief er und stemmte seine Arme in die Hüften. »Weiß deine Mutter, dass du hier bist?«
Der Junge blickte verschämt auf den Boden und schüttelte den Kopf.
Rael sog die Luft ein, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Im gleichen Moment malte er sich das Bild der verzweifelten Bretta aus.
»Aber deine Mutter wird außer sich sein vor Sorge! Was hast du dir bloß dabei gedacht?« Dicke Tränen quollen aus Triels Augen. Er schniefte und wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab. Jads Worte leisteten im
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