Fallen Angel 07 Tanz der Rose
anderen Londoner Theater aus jener Epoche sind abgebrannt oder abgeris sen worden, um größeren Platz zu machen. Ich dachte, daß du es vielleicht gern besichtigen würdest. « Stephen ging zu einer kleinen Tür rechts vom Haupteingang und klopfte laut.
Während sie darauf warteten, daß ihnen geöffnet wur de, kam ein Blumenmädchen vom Markt mit einem gro ßen Korb voller Blumen in warmen Herbsttönen vorbei und hielt lockend einen Strauß hoch. »Blumen für die schöne Dame, Sir? « rief es Stephen zu und wurde nicht enttäuscht.
Lächelnd überreichte er seiner Frau den Strauß. »Rosen sind leider nicht dabei. «
»Eine Welt, in der es nur Rosen gäbe, würde einem bestimmt bald langweilig werden. « Rosalind vergrub ihre Nase in den Herbstblumen. »Danke, Stephen, du verwöhnst mich viel zu sehr. «
Er verzog das Gesicht. »Davon kann keine Rede sein, sonst hätte ich dich nie in jene Slumgegend gebracht. «
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, weil wieder etwas Gräßliches aus den Tiefen ihres Unterbewußtseins aufzusteigen drohte. Trotzdem schüttelte sie den Kopf. »Nein, es war gut, daß wir hingegangen sind. « Sie lächelte schwach. »Aber wie so viele Dinge, die gut für uns sind, war es kein angenehmes Erlebnis. «
Die Tür wurde von einem älteren Mann geöffnet, der ein Stück Käse in der Hand hatte. Neben ihm tauchte ein Hund auf, der die Fremden mißtrauisch beäugte. »Ja? «
»Ich bin Ashburton«, sagte Stephen. »Tut mir leid, Sie beim Mittagessen zu stören. Wenn Sie Mr. Farley, der Hausmeister, sind, hat man Sie bestimmt informiert, daß ich vorbeikommen würde. «
»Ach ja. « Farley trat beiseite, um die Besucher einzulassen. Stephen und Rosalind ließen sich geduldig von dem Hund beschnuppern, bevor sie das schäbige Foyer betraten. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir uns allein umschauen? «
»Wie Sie wünschen, Sir. Ich bin hinten im Künstlerzimmer, falls Sie mich brauchen sollten. « Farley biß von seinem Käse ab und verschwand mit seinem Hund auf einem Seitenkorridor.
Rosalind öffnete neugierig die Tür zum Zuschauerraum, in den trübes Tageslicht durch hoch angebrachte Fenster einfiel. »Was für ein hübsches Theater! « Ihr Kennerblick schweifte über die Sitzreihen zur Bühne. »Es hat genau die richtige Größe - ein Schauspieler braucht sich hier nicht die Seele aus dem Leib zu brüllen, um auch hinten verstanden zu werden. Viel gemütlicher als das prächtige Drury Lane , wenn du mich fragst. «
»Geldmangel hat das Athenaeum davor bewahrt, zu ei nem riesigen Theater ausgebaut zu werden. Ich habe die Aufführungen hier immer genossen und sehr bedauert, daß es schließen mußte. «
Rosalind betrachtete skeptisch die langen Bänke ohne Rückenlehnen, die ziemlich unbequem aussahen. »Eine neue Bestuhlung wäre dringend notwendig. «
»Stimmt. « Stephen war nach vorne geschlendert und blieb hinter dem Orchestergraben an der schmalen Treppe zur Bühne stehen. »Hippolyta, willst du mich begleiten? «
Das Leben war viel unkomplizierter gewesen, als sie es mit >Mr. Ashe< zu tun gehabt hatte, und deshalb schlüpfte Rosalind bereitwillig in die Rolle der Amazonenkönigin. Ihren schlichten Umhang wie ein fürstliches Cape zurückstreifend, reichte sie ihm huldvoll die Hand. »Mit Freuden, liebster Theseus! «
Sie schritten die Treppe so würdevoll empor, als wäre dies ihr Auftritt im Sommernachtstraum , doch auf der Bühne verwandelte Stephen sich plötzlich in den schurkischen Herzog aus Der treulose Liebhaber und riß Rosalind in eine stürmische Umarmung, die sie davon überzeugte, daß er sich völlig von dem schweren Anfall am Vorabend erholt hatte.
Ohne Zuschauer konnten sie sich so leidenschaftlich küssen, wie sie wollten, doch als Rosalind eine Hand auf ihrer Brust spürte, wehrte sie lachend ab. »Sir, Sie gehen wirklich zu weit! Haben Sie vergessen, daß wir vor großem Publikum spielen? «
Stephen grinste. »Du meinst wohl, vor Mäusen und Spinnen? «
»Dir fehlt es an Fantasie! « Sie wirbelte anmutig in die Bühnenmitte. »Die Geister ehemaliger Zuschauer beobachten uns und sind bereit, zu weinen und zu lachen oder aber mit fauligen Orangen zu werfen, wenn wir ihnen nicht gefallen. « Ihre Röcke mit der linken Hand raffend, den Herbststrauß in der rechten Hand, knickste sie elegant vor dem unsichtbaren Publikum.
»Vielleicht sollten wir dann den Kuß noch einige Male proben, um ganz sicher zu sein, daß wir uns nicht blamieren
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