Fallen Angels 01 - Die Ankunft
Ausgang.
Und vorausgesetzt, es käme überhaupt jemand, um sie abzuholen.
Nach einer Zigarette schmachtend, rieb er über das glatte Display des Handys, bis es warm wurde. Wahrheit. Diese Situation konnte mal eine gehörige Portion Wahrheit vertragen. Er musste erfahren, wer Marie-Terese in Wirklichkeit war und wer Devina war und was zum Teufel hier eigentlich los war.
Leider, leider würde ihn das teuer zu stehen …
Plötzlich tauchte Devina in der Tür auf, eine riesige Sonnenbrille bedeckte den Großteil ihres Gesichts. Sie trug einen schwarzen Yogaanzug, und ihre übergroße Krokotasche ließ sie im Vergleich zu dieser spindeldürr aussehen. Sobald sie auf den Bürgersteig trat, starrten die Passanten sie an, als versuchten sie angestrengt, sie im Promiversum unterzubringen.
Es war niemand bei ihr.
Und … der Bluterguss, der ihre rechte Gesichtshälfte entstellt hatte, war jetzt verschwunden. Komplett. Sie war in Fototermin-Verfassung, so schön und perfekt wie am Freitagabend beim Essen.
Eiskalte Ahnungen plätscherten durch Jims Adern, von der Sorte, wie man sie nur selten im Leben erfuhr.
Hier stimmte etwas nicht. Aber ganz und gar nicht.
Er richtete sich auf seinem Fahrersitz auf und holte tief Luft, dann senkte er den Blick auf den Asphalt zu ihren Füßen.
Im Licht, das aus dem Himmel herabströmte und Abbilder von jedem Gegenstand, ob groß oder klein, auf den Boden zeichnete, warf sie keinen Schatten. Sie war Form, aber keine Materie, Gestalt, aber kein Fleisch.
Das hier war der Feind.
Er sah den Feind vor sich.
Er hatte den Feind gevögelt .
Als hätte sie seine Gedanken gehört, wandte Devina den Kopf genau in die Richtung, in der sein Wagen stand. Doch dann zog sie die Augenbrauen zusammen, und ihr Gesicht schwenkte langsam hin und her - was er so verstand, dass sie nicht genau sehen konnte, wo er war, aber wusste, dass jemand sie beobachtete.
Ihre Miene war eiskalt. Nichts von der Wärme, die sie Vin gegenüber ausgestrahlt hatte oder Jim gegenüber an jenem Abend im Pick-up oder im Krankenhaus vorhin.
Eis. Kalt.
Serienmörderkalt.
Er hatte nach der Wahrheit gesucht, hier war sie also: Devina war eine Verführerin, sie log, sie manipulierte … und sie war hinter Vin her. Und zwar nicht, um ihn zu heiraten, sondern um die Seele des Mannes für sich zu beanspruchen.
Tief in der Brust hatte Jim außerdem das sichere Gefühl, dass sie wusste, wer und was er war. Dass sie es von ihrer ersten Begegnung an gewusst hatte, als sie Sex miteinander hatten - denn sie hatte ihn absichtlich verführt. Klar doch, die Logik war stichhaltig. Seine neuen Chefs, die vier alten Knaben, hatten ihn aufs Spielfeld geschickt, und es sah ganz so aus, als hätte die andere Seite ebenfalls einen Agenten entsandt - der mehr wusste als Jim.
Während ihm unablässig der Refrain von »Devil With a Blue Dress on« durch den Kopf sauste, machte er sich langsam ernsthafte Gedanken über Männer auf Harleys, die ebenfalls keine Schatten warfen. Und sehr wahrscheinlich auch Lügner waren.
Gottverdammt.
Noch einmal ließ Devina den Blick über den Parkplatz schweifen, machte einen armen Kerl zur Schnecke, der sie versehentlich angerempelt hatte, und hob dann die Hand, um eins der Taxis aus der Schlange zu rufen. Sofort setzte sich einer der wartenden Wagen in Bewegung, sie stieg ein, und weg war sie.
Dann mal los , dachte Jim, ließ den Motor an und setzte zurück. Da sie seinen Wagen kannte, wenn auch nur im Dunklen, durfte er nicht zu auffällig sein, sondern musste sich zwei Autos hinter dem Taxi einreihen und hoffen, dass der Fahrer nicht die Angewohnheit hatte, immer bei Gelb an der Ampel noch durchzustarten.
Ohne sie aus den Augen zu lassen, wählte er eine Nummer auf seinem Handy, wichtig war jetzt nur noch, dass er erhielt, was er brauchte. Nichts, was er zu tun hätte, wäre zu viel, kein Opfer zu groß oder zu erniedrigend. Er war zurück im Reich der Unbeirrbarkeit, so entschlossen und zielstrebig wie eine Kugel im Flug.
»Zacharias«, sagte er, als abgehoben wurde.
Matthias, der Drecksack, lachte tief. »Mann, ich telefoniere öfter mit dir als mit meiner eigenen Mutter, das schwör ich dir.«
»Wusste gar nicht, dass du eine hast. Ich dachte, du wärst ausgebrütet worden.«
»Rufst du an, um über Familienstammbäume mit mir zu plaudern, oder gibt es einen bestimmten Anlass?«
»Ich brauche die Info.«
»Aha. Warum hatte ich bloß gleich das Gefühl, dass du es dir anders überlegen
Weitere Kostenlose Bücher