Fallen Angels 01 - Die Ankunft
groß wie ein Fußballfeld war. Mittlerweile zogen die Arbeiter bereits den Rohbau hoch. Sobald das Dach fertig wäre, würde seine Elektrikerflotte anrücken und das zentrale Nervensystem des Hauses einbauen, und seine Klempner würden die Arterien und Venen installieren. Zum Schluss kämen dann Details wie Fliesen und Arbeitsflächen, Armaturen und Gerätschaften, und die Innenausstatter.
Alles fügte sich zusammen, wie von Zauberhand. Und nicht nur seinen künftigen Wohnort betreffend.
Vor ihm auf dem Glastisch lag eine Samtschachtel von Reinhardt Juweliere.
Die Standuhr in der Ecke verkündete Mitternacht, und Vin lehnte sich zurück in die Sofakissen und schlug die Beine übereinander. Er war kein Romantiker, noch nie gewesen, genau wie Devina - weshalb sie auch so perfekt zusammenpassten. Sie ließ ihm seinen Freiraum, beschäftigte sich selbst und war jederzeit bereit, in ein Flugzeug zu springen, wenn es sein musste. Und sie wollte keine Kinder, was ein riesengroßer Pluspunkt war.
Denn das kam für ihn überhaupt nicht infrage. Die Sünden der Väter und so weiter.
Er und Devina kannten einander noch nicht so besonders lange, aber wenn etwas passte, dann passte es eben. Es war in etwa so wie Baugrund kaufen: Man wusste einfach, wenn man ein derartiges Stück Land betrachtete, dass man genau hier bauen musste .
Von seinem Aussichtspunkt aus, der hoch über den meisten anderen lag, sah er auf die Stadt und dachte an das Haus, in dem er aufgewachsen war. Damals hatte sich sein Blick auf das schäbige kleine Nachbarhaus beschränkt, und er hatte viele Nächte damit verbracht, sich von seiner Herkunft wegzuträumen. Zur Hintergrundmusik der betrunkenen Streitereien seiner Eltern hatte er einfach nur weggewollt. Weg von seinen Eltern. Weg aus diesem armseligen kleinbürgerlichen Viertel. Weg von sich selbst und dem, was ihn von allen anderen trennte. Und voilà - genau das war passiert.
Dieses Leben hier, diese Landschaft war unendlich viel besser. Er hatte viele Opfer gebracht, um hier hochzukommen, aber das Glück war immer auf seiner Seite gewesen, wie durch ein Wunder.
Andererseits: Je härter man arbeitete, desto mehr war einem das Glück auch hold. Und scheiß auf alles und jeden: Genau hier würde er bleiben.
Erneut sah Vin auf die Uhr, fünfundvierzig Minuten waren vergangen. Und eine weitere halbe Stunde verstrich.
Gerade als er sich vorbeugte und die Samtschachtel in die Hand nahm, hörte er das Schloss der Eingangstür. Draußen im Flur klackerten hohe Absätze auf dem Marmor und näherten sich. Oder liefen vielmehr an ihm vorbei.
Als Devina den Durchgang zum Wohnzimmer passierte, zog sie gerade ihren weißen Nerzmantel aus, unter dem ein blaues Kleid von Herve Leger zum Vorschein kam, das sie von seinem Geld gekauft hatte. Sie war ein umwerfender Anblick: Ihre perfekten Rundungen zeigten den Stoffbahnen und Nähten, wer der Chef war, ihre langen Beine waren besser proportioniert als die Louboutins mit der roten Sohle, die sie trug, und ihr dunkles Haar glänzte schimmernder als der Kristallkronleuchter über ihrem Kopf.
Eine Pracht. Wie immer.
»Wo warst du?«, fragte er.
Sie erstarrte und sah ihn an. »Ich wusste nicht, dass du zu Hause bist.«
»Ich habe auf dich gewartet.«
»Du hättest anrufen sollen.« Sie hatte hinreißende Augen, mandelförmig und dunkler als ihr Haar. »Dann wäre ich heimgekommen.«
»Ich wollte dich überraschen.«
»Das … machst du sonst nie.«
Vin stand auf, hielt aber die Schachtel in der Hand versteckt. »Wie war dein Abend?«
»Schön.«
»Wo warst du?«
Sie legte sich den Pelz über den Arm. »Ach, nur in so einem Club.«
Als er auf sie zukam, öffnete Vin den Mund, seine Hand umklammerte das Geschenk für sie fester. Werde meine Frau .
Devina runzelte die Stirn. »Alles okay?«
Werde meine Frau. Devina, heirate mich.
Da fiel sein Blick auf ihre Lippen. Sie waren praller als normal. Röter. Und sie trug keinen Lippenstift, was sonst nie vorkam.
Die Schlussfolgerung traf ihn wie ein Hammer und löste eine kurze, lebhafte Erinnerung an seine Eltern aus: Die beiden schrien einander an und warfen mit Gegenständen, beide sturzbesoffen. Das Thema war immer das gleiche, und er hörte die wütende Stimme seines Vaters im Geiste klar und deutlich: Bei wem warst du? Was zum Teufel hast du getrieben, Frau?
Gefolgt vom Aschenbecher seiner Mutter, der von der Wand abprallte. Dank der ganzen Übung, die sie hatte, verfügte sie über einige Wurfkraft,
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