Fallen Angels 01 - Die Ankunft
Verlockung nachgegeben hatte, hatte sie bezahlen müssen. Teuer.
Das Scharren von Stühlen auf dem Fußboden brachte sie in die Gegenwart zurück. Das Treffen war vorbei, und die Teilnehmer standen auf und umarmten einander tröstend - was bedeutete, sie musste schleunigst abhauen, ehe sie auch noch erwischt wurde.
Ihnen zuzuhören war eine Sache; sie dicht an sich zu spüren eine völlig andere.
Das hielt sie nicht aus.
Marie-Terese erhob sich und schlang sich die Tasche über die Schulter. Auf dem Weg nach draußen richtete sie ein paar allgemeine Worte an die anderen und wurde dafür im Gegenzug mit den Blicken bedacht, die brave Christen gern jenen zuteilwerden lassen, die ihrer Ansicht nach des Mitleids bedürfen: Ach, die arme, kleine Frau .
Sie musste sich fragen, ob diese Leute auch so großzügig gewesen wären, wenn sie wüssten, wohin sie ging und was sie nach diesen Treffen tat. Gern hätte sie geglaubt, dass das keinen Unterschied machen würde. Musste das aber stark bezweifeln.
Draußen im Flur sammelte sich eine weitere Gruppe, soweit Marie-Terese mitbekommen hatte, eine Selbsthilfegruppe für ehemalige Drogenabhängige, die sich neuerdings in St. Patrick’s traf. Die Stimmung war allgemein sehr herzlich, die beiden Trupps von Hilfebedürftigen mischten sich kurz während der Raumübergabe.
In ihrer Tasche nach dem Autoschlüssel wühlend …
… prallte sie gegen eine Mauer von einem Mann.
»Oh, entschuldigen Sie bitte vielmals!« Sie hob den Blick sehr, sehr hoch zu den Augen eines Löwen. »Ich, äh …«
»Immer mit der Ruhe.« Der Mann stützte sie und lächelte sie freundlich und unaufdringlich an. Sein Haar war so fantastisch wie seine gelben Augen, in allen möglichen Farben fiel es ihm bis auf die breiten Schultern. »Alles okay?«
Sie hatte ihn schon öfter gesehen, nicht nur hier im Keller der Kirche, sondern auch im ZeroSum, und hatte sein vollkommen unwirkliches Aussehen bestaunt. Vielleicht war er ein Model. Und natürlich machte sie sich insgeheim Sorgen, dass er wusste, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente, aber er wirkte im Umgang mit ihr nie unbehaglich oder aufdringlich.
Außerdem hatte er sicherlich mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen, wenn er zu so einem Treffen ging.
»Hallo? Alles okay?«
»Oh, verzeihen Sie bitte. Ja, alles in Ordnung - ich hab einfach nur nicht aufgepasst.«
Sie erwiderte sein Lächeln, lief zu der Treppe, die sie hoch ins Erdgeschoss der Kirche führte, und ging durch die große Flügeltür ins Freie. Draußen auf der Straße hastete sie an den parkenden Autos vorbei. Ihr Camry stand ein ganzes Stück entfernt, und bis sie dort angekommen war und das übliche Stottern des Anlassers begann, biss sie schon vor Kälte die Zähne aufeinander.
»Komm schon … komm schon …«
Endlich hörte sie ein Schnaufen und ein Brummen und vollzog dann eine unerlaubte Kehrtwende über eine durchgezogene Mittellinie.
Völlig mit sich selbst beschäftigt, merkte sie nicht, dass ein Paar Scheinwerfer sich an ihre Fersen heftete … und dort kleben blieb.
Neun
Als Jim seinen Pick-up einen halben Block vom Commodore entfernt parkte, musterte er das Gebäude von oben bis unten und dachte sich: Jupp, das passt zu Vin . Von außen war das Hochhaus nüchtern, nichts als schmale Stahlträger und große Glasflächen; aber genau dadurch erhielten die Wohnungen ihren fantastischen Ausblick. Und so weit er es von der Straße aus erkennen konnte, war allein schon die Lobby die reine Dekadenz: von Flutlicht beleuchteter blutroter Marmor mit einem Blumengesteck in der Größe eines Feuerwehrautos mitten im Raum.
Insofern leuchtete es durchaus ein, dass die Frau im blauen Kleid in einem solchen Haus wohnte.
Mist, er hätte vorschlagen sollen, dass er und diPietro sich in einem Restaurant trafen. Die Erinnerung an die vergangene Nacht war noch so lebendig, dass es nicht die schlauste Idee war, sich in ein und demselben Raum mit der Frau zu befinden. Und außerdem - hallo! - gab es da noch die winzigkleine Komplikation, dass er die Aufgabe hatte, ihren bescheuerten Lover vor der ewigen Verdammnis zu retten.
Er stellte den Motor ab und rieb sich das Gesicht. Er musste an »Hund« denken, den er zusammengerollt auf dem unordentlichen Bett zu Hause gelassen hatte. Der Kleine war total erschöpft gewesen, seine mageren Rippen hoben und senkten sich, der volle Bauch war eine pralle Kugel, um die herum er die Pfötchen spreizen musste.
Wie zum Henker hatte er es
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