Fallen Angels 02 - Der Dämon
über den Tisch und ging zu dem anderen Stuhl, sodass sie jetzt mit dem Rücken zur Tür saß.
»So ist es gut.« Er drückte kurz ihren Arm, dann rollte er aus dem Zimmer.
Ihr neuer Sitzplatz hatte zur Folge, dass sie nun die luftige Erscheinung ihres geliebten jüngeren Bruders sehen konnte. Daniel lehnte in der gegenüberliegenden Ecke, die Füße an den Knöcheln verschränkt, die Arme in Brusthöhe. Sein blondes Haar war locker und frisch, und er trug ein korallenfarbenes Poloshirt zu karierten Bermudashorts.
Er wirkte wie ein untotes Model aus einer Ralph-Lauren-Anzeige, ein typisch amerikanischer, privilegierter Sonnyboy, der gleich von Hyannis Port aus lossegeln würde.
Nur, dass er sie im Augenblick nicht anlächelte, wie er es normalerweise tat. Sie wollen, dass er mit dem Gesicht zur Tür sitzt, damit der Wärter draußen ihn beobachten kann. Und wenn du hinten sitzt, ist es schwerer, dich herauszuholen, falls er aggressiv wird.
Einen Moment lang vergaß Grier völlig die Überwachungskamera und den Umstand, dass es für jeden anderen so aussah, als würde sie mit der Luft sprechen, und beugte sich über den Tisch. »Niemand wird ...«
Du musst damit aufhören. Hör auf, Leute retten zu wollen, und leb endlich dein eigenes Leben.
»Dito. Hör auf, um mich herumzuspuken, und leb endlich deine Ewigkeit.«
Würde ich ja gerne. Aber du lässt mich nicht gehen.
Da öffnete sich die Tür hinter ihr, und ihr Bruder verschwand.
Grier erstarrte, als sie das Klirren von Ketten und das Schlurfen von Füßen hörte.
Und dann sah sie ihn.
Heilige Mutter ... Gottes.
Was Shawn C. da aus der U-Haft hochbrachte, waren ungefähr ein Meter fünfundneunzig pure Muskeln. Ihr Mandant war »eingekleidet«, was bedeutete, dass er Gefängniskleidung trug. Hände und Füße waren gefesselt und durch eine Stahlkette verbunden, die vor seinen Beinen verlief und einmal um seine Taille herum lag. Er hatte ein hartes Gesicht und die Art von hohlen Wangen, die typisch für null Körperfett sind. Seine dunklen Haare waren kurz geschnitten wie bei einem Soldaten. Um seine Augen herum hatte er einige bereits verblassende blaue Flecke, und dicht an seinem Haaransatz trug er ein leuchtend weißes Pflaster. Sein Hals war gerötet, als wäre er vor sehr, sehr kurzer Zeit recht unsanft angepackt worden.
Ihr erster Gedanke war ... dass sie froh war, dass der gute alte Billy McCray sie auf den anderen Stuhl gesetzt hatte. Sie wusste nicht, warum sie sich dessen so sicher war, aber sie hatte das Gefühl, ihr Mandant könnte Shawn C. in null Komma nichts überwältigen, wenn er nur wollte - trotz der Fesseln und der Tatsache, dass der Wärter eine Statur wie eine Bulldogge und jahrelange Erfahrung im Umgang mit kräftigen, unberechenbaren Männern hatte.
Die Augen ihres Mandanten blieben fest auf den Boden geheftet, während der Wärter ihn in den engen Raum zwischen dem freien Stuhl und dem Tisch schob.
Shawn C. beugte sich zu dem Ohr des Mannes herunter und flüsterte ihm etwas zu.
Besser gesagt war es mehr ein Knurren.
Dann warf er Grier einen schnellen Blick zu und lächelte etwas verkrampft, als gefiele ihm die ganze Sache überhaupt nicht, würde aber professionell bleiben. »Ich bin direkt vor der Tür. Wenn Sie etwas brauchen, einfach nur brüllen, und ich bin sofort da.« Etwas leiser sagte er: »Ich hab dich im Auge, Bürschchen.«
Irgendwie überraschten Grier diese Vorsichtsmaßnahmen nicht. Ihrem Mandanten einfach nur gegenüberzusitzen machte sie schon leicht nervös. Sie konnte sich nicht vorstellen, ihn durch ein Gefängnis zu führen.
Meine Güte, er war riesig.
»Danke, Shawn«, sagte sie still.
»Keine Ursache, Miss Childe.«
Und dann war sie allein mit Mr lsaac Rothe.
Als sie seine enorm breiten Schultern musterte, fiel ihr auf, dass er nicht zuckte oder zappelte, was sie als gutes Zeichen wertete - kein Meth oder Koks in seinem Organismus, hoffentlich. Und er starrte sie auch nicht ungebührlich an, stierte ihr vorne aufs Kostüm oder leckte sich die Lippen.
Genau genommen sah er sie überhaupt nicht an, sein Blick blieb auf den Tisch gerichtet.
»Ich bin Grier Childe - Ihr Fall wurde mir zugeteilt.« Da er weder die Augen hob noch nickte, fuhr sie fort. »Alles, was Sie zu mir sagen, ist vertraulich, was bedeutet, dass ich es - innerhalb des gesetzlichen Rahmens - für mich behalten werde. Des Weiteren hat die Überwachungskamera dort oben keine Tonspur, also kann niemand hören, was Sie mir
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