Fallen Angels 03 - Der Rebell
sagt, er wisse nicht, was mit dem Opfer passiert sei, erhalte ich einen Anruf.«
Leider gewöhnte sie sich langsam schon daran. Thomas DelVecchio jr. arbeitete erst seit zwei Wochen bei der Mordkommission und war bereits knapp an einer Suspendierung vorbeigeschrammt, weil er einen Paparazzo, der heimlich ein Bild von einem Opfer schießen wollte, k. o. geschlagen hatte.
Im Gegensatz zu dieser Nummer jetzt war das allerdings ein Klacks.
»Woher wissen Sie es?«, fragte sie.
»Er hat mich aufgeweckt.«
»Wie klang er?«
»Ich will ehrlich zu Ihnen sein.«
»Das sind Sie immer, de la Cruz.«
»Er klang völlig in Ordnung. Klagte über Kopfschmerzen und Gedächtnisverlust. Er sagte, da sei viel Blut und er sei hundertprozentig sicher, dass das Opfer David Kroner sei.«
Alias der kranke Bastard, der junge Frauen zerstückelt und Körperteile seiner Opfer aufgehoben hatte. Die letzte »Session« hatte vorletzte Nacht in diesem Motel stattgefunden, war aber von Unbekannten gestört worden. Daraufhin war Kroner durch das Klofenster geflüchtet und hatte eine furchtbar zugerichtete Leiche sowie einen Lastwagen voller Gläser mit präparierten Leichenteilen und anderer Gegenstände zurückgelassen – die jetzt samt und sonders im Polizeipräsidium katalogisiert und landesweit Vermisstenfällen zugeordnet wurden.
»Haben Sie ihn gefragt, ob er es getan hat?« Als Mitarbeiterin des Internen Ermittlungsdezernats untersuchte Reilly die Verfehlungen ihrer eigenen Kollegen, und obwohl sie stolz auf ihre Arbeit war, machte es ihr keine Freude, dass Angehörige ihres Berufsstandes überhaupt etwas zu tun bekamen. Viel besser wäre es, wenn alle – einschließlich der Polizei – gesetzestreu wären und sich an die Regeln hielten.
»Er meinte, er wisse es nicht.«
Blackout beim Begehen eines Mordes? Nicht ungewöhnlich. Besonders, wenn eine Affekthandlung vorlag – wie beispielsweise im Falle eines Ermittlers der Mordkommission, der einen abartigen Serienmörder ausknipste. Und Veck hatte sich bereits als Hitzkopf beim Beschützen oder Verteidigen von Opfern erwiesen. Na ja, als Hitzkopf, Punkt. Wobei der Mann ein sehr kluger, sexy Hitzkopf …
Nicht, dass die Sache mit dem sexy irgendwie relevant wäre.
Nicht im Geringsten.
»Wann sind Sie voraussichtlich am Tatort, de la Cruz?«, fragte sie.
»In circa fünfzehn Minuten.«
»Ich bin nur noch einen guten Kilometer weg. Wir sehen uns dort.«
»Alles klar.«
Reilly steckte das Handy in die Innentasche ihrer Jacke und rutschte auf ihrem Sitz herum. Ein Angehöriger der Polizei als möglicher Verdächtiger in einer Mordermittlung – Vecks Notruf zufolge war die Wahrscheinlichkeit, dass Kroner über lebte, gering – schuf diverse Interessenskonflikte. Meistens küm merten sich die Kollegen vom Internen Ermittlungsdezernat um Korruptionsfälle, Verfahrensverletzungen und Fragen der beruflichen Kompetenz. Aber eine Situation wie die vorliegende versetzte die Kollegen aus Vecks eigener Abteilung in die unangenehme Lage, beurteilen zu müssen, ob einer von ihnen ein Verbrechen begangen hatte.
Mannomann, je nachdem, wie die Ermittlungen liefen, müsste sie vielleicht sogar einen externen Ausschuss anrufen, um eine Entscheidung zu fällen. Aber dafür war es noch zu früh.
Nicht zu früh war es allerdings, über Vecks Vater nachzudenken.
Jeder wusste, wer der Mann war, und Reilly musste zugeben, dass sie ohne diese Blutsbande möglicherweise nicht ganz so in Alarmbereitschaft gewesen wäre … und in Sorge, dass gewissermaßen Rache in Gestalt eines DelVecchios stattgefunden hatte.
Thomas sr. war einer der berüchtigtsten Serienmörder des späten zwanzigsten Jahrhunderts. Offiziell war er in »nur« achtundzwanzig Fällen des Mordes angeklagt und verurteilt worden. Aber sein Name wurde mit noch etwa dreißig weiteren in Verbindung gebracht, und das waren nur die, von denen die Behörden in vier Staaten wussten. Vieles sprach dafür, dass es noch Dutzende vermisster Frauen gab, die ihm zum Opfer gefallen waren, aber nicht zweifelsfrei mit ihm in Verbindung gebracht werden konnten.
Also ja, wäre Vecks Vater Anwalt oder Buchhalter oder Lehrer gewesen, dann wäre sie nicht ganz so beunruhigt gewesen. Aber die Sache mit dem Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt, war nicht ganz belanglos, wenn es um Serienkiller und ihre Söhne ging.
Hinter einer niedrigen Brücke lag das Monroe Motel & Suites auf der rechten Seite. Sie bog ab und fuhr an der Rezeption vorbei auf den
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