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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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der Ihre auf dem Schreibtisch gelegen. Murray hat nichts dazu gesagt, sie hatten etwas anderes zu besprechen, aber irgendwie ist es in seinem Gedächtnis hängen geblieben. Er ist sich fast sicher, es war entweder ein Gegenstück oder kam einem solchen zumindest verdammt nahe«, endete sie triumphierend.
    »Kann er das feststellen?«
    »Ja, er ist schon dabei. Sein Kumpel war gerade gegangen, als er angerufen hat, aber er wird es später noch mal bei ihm zu Hause versuchen. Möchten Sie hier warten?«
    Ich schüttelte den Kopf, erklärte, ich würde jetzt nach Hause fahren, und bat sie, mich später anzurufen. Meine Gedanken waren in Aufruhr. Ganz plötzlich hatten meine Ängste, jemand hätte mich in Dublin beobachtet, Gestalt angenommen. Meine Tagebücher endeten mit dem Jahr 1961. Wenn es noch mehr davon gab, wo waren sie? Wer hatte sie an sich genommen? Oder hatte ich sie irgendwie übersehen? Hatte Lily sie für mich zu gut versteckt, aber nicht gut genug für andere, erfahrenere, die danach suchten?
    »Was macht Ihnen denn solche Sorgen?« fragte Grace.
    Darauf konnte ich nicht antworten. Ich stammelte, mit mir sei alles in Ordnung, ich würde sie anrufen, sie solle mich anrufen und Gott weiß was, und fuhr schließlich los, ehe ich mich völlig zum Narren machte … Ich mußte nachdenken, mußte allein sein, meine Wohnung und mein Denken gegen Eindringlinge verbarrikadieren, herausfinden, ob irgend jemand sich in der Nähe von Morgen Morgen herumgetrieben hatte. Ich konnte es kaum fassen, wie dumm, wie vertrauensselig ich gewesen war und wie langsam ich geschaltet hatte. Während ich zauderte, suchte jemand Lilys Geliebten, jemand, der entschlossener, fähiger und weit skrupelloser war als ich. Bitte, lieber Gott, flüsterte ich, bitte, Lily, macht, daß er nicht tot ist. Daß er nicht durch meine Schuld tot ist.

23
    An dem Abend kam Jen Harper bei mir vorbei, um mich auf den neuesten Stand zu bringen, was im Büro vorging. Sie merkte, was mit mir los war, verschwand für eine Stunde und kam dann, beladen mit etlichen chinesischen Köstlichkeiten und ihrem Laptop, zurück. Ihrer Meinung nach würde ich mich besser fühlen, wenn sie mit mir durchging, was im letzten Monat alles passiert war. Und sie hatte recht.
    Sie blieb über Nacht und beschloß am Nachmittag darauf, auch Samstagnacht bei mir zu verbringen. Wir sahen uns die Quiz Show an; dann zog sie wieder los und luchste diesmal einem japanischen Restaurant, das erst vor kurzem in der Twickenham Road eröffnet hatte, Sushi ab. Ihr schmeckte es besser als mir; während des Essens ging es mir noch ganz gut, aber anschließend war mir ein bißchen schlecht. Aber das lag vielleicht auch an der zweiten Flasche Jacob’s Creek – ich hasse den erdigen Chardonnay, den sie überall anbieten –, die wir leerten, während sie mir von dem sexy Typen vorschwärmte, der seit neuestem in Heathrow in der Spedition neben Morgen Morgen arbeitete. Sie grüßten sich – weiter hatten sie es noch nicht geschafft –, aber Jen hatte sich bereits entschieden: Das war ihr Mann. Nach dem fünften Glas Wein hörte sie bereits die Hochzeitsglocken läuten. Sie brachte mich zum Lachen, aber das gelingt ihr immer. Ich weiß nicht, wie ich ohne sie das Wochenende überstanden hätte.
    Am Sonntag verbrachten wir einen faulen Vormittag im Bett und lasen die Zeitungen; anschließend machten wir einen ausgedehnten Spaziergang den Fluß entlang. Nachmittags befanden sich dann mein Kopf und auch mein Körper wieder in einem Zustand, der sich der Normalität zumindest annäherte. Fast sechsunddreißig Stunden lang war es mir gelungen, mit dem Grübeln aufzuhören; statt dessen hatte ich mich darauf konzentriert, am Montag wieder mit dem Arbeiten anzufangen.
    Grace Hartfield rief erst ziemlich spät am Sonntagabend an. Was sie mir berichtete, war enttäuschend: Murrays Freund konnte sich nicht erinnern, das fragliche Buch gesehen zu haben.
    »Lassen Sie sich davon nicht allzu sehr entmutigen, Nell«, meinte sie freundlich. »Das ist jetzt mehrere Wochen her, und es geht derart viel durch seine Hände. Murray hat sich für morgen Nachmittag mit ihm verabredet. Ich bin sicher, die Photos werden seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Wir melden uns, sobald wir näheres wissen; schließlich sind wir fast genauso gespannt wie Sie.«
    Ich drückte die Daumen, daß bei dem Treffen etwas herauskäme. Am kommenden Dienstag wollten Grace und Murray umziehen, das hatte ich nicht vergessen, und

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