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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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Anhaltspunkt, aber es ist der einzige, den Sie haben, warum sollten wir es also nicht damit probieren.« Sie blickte von mir zu ihm.
    Murray stöberte eine Kamera auf und machte ein paar Polaroidphotos von den Einbänden, sowohl Gesamtaufnahmen als auch Nahaufnahmen der Einzelheiten. Dann suchte er beide Bücher eingehend nach einer Signatur ab und murmelte, als er keine fand, er hätte um halb drei eine Verabredung. Ich war leicht überrascht, als er die Photos mitnahm.
    Die folgenden paar Stunden verbrachte ich damit, Grace beim Packen einer großen Bücherkiste zu helfen. Sie hatte mich nicht darum gebeten; ich hatte es ihr angeboten. Ehrlich gesagt, ich wußte nicht so recht, was ich mit mir anfangen sollte. Es war angenehm, sich mit ihr zu unterhalten, und sie war ganz fasziniert, als ich ihr ein wenig von dem erzählte, was ich aus den Tagebüchern über meine Mutter erfahren hatte. Während Maria meinem zunehmenden Verdacht in Bezug auf den Tod meiner Mutter sehr skeptisch gegenübergestanden hatte, hörte Grace einfach zu. Zwar bestärkte sie mich nicht in meinen leicht makabren Ängsten, aber sie nahm sie ernst.
    Der Bericht von dem Mord interessierte sie am meisten.
    Als ich sagte, er sei vor fünfzig Jahren geschehen, bemerkte sie rätselhaft, manchmal dauere es sehr, sehr lange, bis die Auswirkungen einer schlimmen Tat spürbar würden. Ich hatte den Eindruck, irgendwie einen wunden Punkt berührt zu haben, denn anschließend wirkte sie eine ganze Weile ziemlich gedankenverloren. So lange, ehrlich gesagt, daß ich mich unbehaglich und fehl am Platze zu fühlen begann. Als ich jedoch Anstalten machte zu gehen, richtete sie sich auf und stellte mir eine höchst unerwartete Frage:
    »Sind Sie ungefähr dreißig Jahre alt?«
    Als ich nickte, fuhr sie leise fort: »Die Wohnung hier habe ich von meiner Nichte geerbt. Sie war ungefähr in Ihrem Alter, als sie gestorben ist. Seien Sie auf der Hut, Nell. Ich habe das getan, was Sie nun versuchen. Ich bin in die Vergangenheit zurückgewandert und habe leider dort mehr gefunden, als ich erwartet hatte. Seien Sie sehr vorsichtig, wem Sie trauen.«
    Als sie mich zur Tür brachte, erklärte sie: »Nell, wir werden unser möglichstes tun, um Ihren Buchbinder zu finden. Mir ist klar, es ist wichtig. Leider könnte das eine Weile dauern. Wir werden uns in den Fachkreisen umhören. Falls nötig, leihe ich mir die Bücher von Ihnen aus …« Als sie meine erschrockene Miene bemerkte, stutzte sie und berührte leicht meinen Arm. »Ich werde diskret sein und den Namen Ihrer Mutter niemandem gegenüber erwähnen. Oder Ihren. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, wir helfen Ihnen, so gut wir können.«
    Wir tauschten unsere Telefonnummern und Adressen aus, und sie versprach, sich sobald wie möglich mit mir in Verbindung zu setzen. Das Schrillen des Telefons verkürzte unseren verlegenen Abschied.
    Lustlos ging ich die Vordertreppe hinunter. Weiter als bis zu dem Versuch, den Buchbinder zu identifizieren, hatte ich nicht gedacht. Vermutlich war es mir gar nicht in den Sinn gekommen, dies könnte sich unter Umständen als gar nicht so einfach erweisen. Schließlich und endlich werden ständig unbekannte Gemälde identifiziert, warum also nicht auch Bucheinbände? Mir wurde klar, halb hatte ich damit gerechnet, Grace würde sich auf die Tagebücher stürzen und sagen: »O ja, unverkennbar die Hand des lieben alten Sowieso« oder etwas ähnlich Hochtrabendes. Natürlich war ich froh, daß sie kein bißchen so war, aber andererseits auch ein wenig enttäuscht. Ich hatte angenommen, die Hand des Meisters wäre unverkennbar. Wie sich herausstellen sollte, war meine Ahnung gar nicht so falsch.
    Ich war fast bei meinem Wagen angelangt, als ich hörte, wie Grace meinen Namen rief. Sie rannte den Abhang hinauf und lehnte sich, als sie zum Auto kam, erst einmal dagegen, um wieder zu Atem zu kommen.
    »Herrje, ich bin überhaupt nicht mehr in Form! Das war Murray am Telefon. Er hat sich erinnert, weshalb ihm die Einbände bekannt vorgekommen sind und wo er ein Gegenstück dazu gesehen hat. Haben Sie nicht gesagt, es gäbe noch mehr davon?«
    »Nein.« Nervös biß ich mir auf die Lippen. Warum klopfte mein Herz auf einmal wie wild? Fast spürte ich, wie die Farbe aus meinem Gesicht wich.
    »Er war vor ein paar Wochen in der British Library. Ein Freund von ihm arbeitet dort. Er ist sich nahezu sicher, die ganze Zeit, während sie sich miteinander unterhalten haben, hat ein Einband wie

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