Fallende Schatten
Schreibtisch auf und verstaute meine Sachen in meinem Aktenkoffer, und das alles mit dem unheilvollen Gefühl, für immer zu gehen.
Dieter stand in der Tür zu seinem Büro und erwartete mich. Er bat mich mit größerer Förmlichkeit hinein, als ich es für notwendig hielt, aber ich beherrschte mich. Als ich sagte, ich hätte mit Jen alles geklärt und würde mir zusätzliche Zeit freinehmen, wie er es mir geraten hatte, nickte er. Für mich rückte er einen Stuhl zurecht; er selber setzte sich, wie üblich, auf die Kante seines Schreibtisches und wartete schweigend ab, wobei er seine Beine hin und her schwingen ließ. Irgendwie wirkte er verlegen, als versuche er, ein Problem zu lösen.
»Ich glaube«, setzte er schließlich an, »ich glaube, es gibt keine andere Möglichkeit …« Ein diskretes Klopfen unterbrach ihn. Ich schluckte. Was gab es da noch zu sagen? Außer daß ich mir verzweifelt wünschte, Jen und nicht Roger bekäme meine Stelle.
Ein junger Kerl mit einer Kühlbox schlenderte in den Raum. Dieter stand schweigend am Fenster, während der Junge ein weißes Tischtuch entfaltete und den Schreibtisch in einen improvisierten Picknicktisch verwandelte. Aus der Kühlbox kamen Platten mit geräuchertem Lachs und Schwarzbrot zum Vorschein, gefolgt von einer Flasche Moët und einem halben Dutzend Sektgläser. Ein stilvoller Abgang, aber, bei Gott! darauf konnte ich verzichten! Der Junge schwebte wieder hinaus, und Dieter nahm ein Glas.
»Feiern wir etwas?« fragte ich steif.
»Na ja, in der Tat, Nell, es gibt etwas zu feiern. Ich weiß, Sie sind nicht in der richtigen Stimmung dafür, aber wir haben eben unseren neuen geschäftsführenden Direktor für Großbritannien ernannt.«
Ich schloß die Augen und wünschte Roger Mason zum Teufel. Ausgetrickst. Ich war zu wütend, um etwas zu sagen. Aber ich bewahrte Haltung. Kerzengerade saß ich auf meinem Stuhl, blickte anklagend zu meinem ehemaligen Vorgesetzten auf und lächelte eisig. Dieter schien einige Schwierigkeiten zu haben, eine unbeteiligte Miene zu wahren. Sorgfältig entfernte er den Korken aus der Flasche, sah mich unverwandt an und grinste plötzlich über das ganze Gesicht. Den deutschen Sinn für Humor werde ich wohl nie kapieren. Ich lächelte gezwungen, spielte das Spiel bis zum bitteren Ende mit.
»Nehmen Sie den Posten an?«
Ich schnappte nach Luft. »Aber, ich habe gedacht … Ich?« Meine Stimme klang viel zu laut und viel zu schrill.
»Ja, selbstverständlich Sie. Wer denn sonst?« Er lachte und füllte beide Gläser. »Alsdann, Nell, nehmen Sie den Posten an?«
»O mein Gott, natürlich«, stieß ich hervor und brach in Tränen aus. Dieter verteilte Lachs und Brot auf zwei Teller und übersah barmherzig den Wasserfall.
»Ich habe Jen und Roger gebeten, sich uns anzuschließen. Ehe sie kommen, möchte ich noch ein, zwei Dinge … Ich weiß, Sie sähen es gerne, wenn Jen Ihre Stelle übernimmt. Roger wird das Büro in Manchester leiten. Offiziell tritt diese Veränderung erst ab Oktober in Kraft, aber ich glaube, Jen kann gleich anfangen, wenn Ihnen das recht ist. Am 25. September werden Sie dann den gesamten Vorstand kennenlernen. Ich fahre mit Ihnen nach Hamburg. Wenn wir zurückkommen, arbeite ich Sie ein paar Wochen ein, ehe ich in die Zentrale wechsle, wo ich Ihr unmittelbarer Ansprechpartner sein werde, worüber ich, das muß ich sagen, mehr als erfreut bin.« Er wartete meine Zustimmung ab, und voller Begeisterung gab ich sie ihm.
»Gut. Sie werden ein paar zusätzliche Kräfte einstellen müssen, Nell, aber das Budget können wir zu einem späteren Zeitpunkt durchgehen. Ist Ihnen das recht?« Er schüttelte mir die Hand und umarmte mich dann etwas schüchtern. »Unsere erste Frau im Vorstand! Oh, Nell, meine Liebe, ich freue mich so sehr.« Er schaute ein wenig verlegen drein.
Ich war überwältigt. Gott segne ihn, aber ich glaube nicht, daß Dieter klar war, was mir alles durch den Kopf gegangen und wie verunsichert ich gewesen war. Ich hob mein Glas, trank einen großen Schluck von dem kalten Champagner und dankte ihm. Er hatte, seit ich bei Morgen Morgen angefangen hatte, immer dafür gesorgt, daß mir bei meiner Karriere keine Steine in den Weg gelegt wurden. Ich kam kaum dazu, ihm zu sagen, wie viel mir das bedeutete, ehe Roger Mason und Jen sich uns anschlossen.
Das Gehalt, das Dieter mir anbot – und das ich akzeptierte –, konnte ich kaum fassen, so durcheinander war ich. Fast hörte ich Davis’ gepeinigten
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