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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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erinnerte mich daran, die Tagebücher mitzunehmen. Mir blieb nichts anderes übrig, als eine weitere Verzögerung hinzunehmen, auch wenn es mir fast unmöglich schien, das durchzustehen.
    Meine Unfähigkeit, mich zu konzentrieren, wurde immer schlimmer. Ich schleppte mich im wahrsten Sinne des Wortes durch die Gegend und versuchte, mir den Anschein zu geben, als hätte ich alles unter Kontrolle. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß irgend jemand mir das abnahm, am allerwenigsten Jen Harper.
    »Du gehörst nach Hause, Nell.« Sie stand am Fenster, außer Reichweite meiner wütenden Blicke. »Falls es gestattet ist, das zu sagen.«
    »Wieso?« fragte ich streitlustig.
    »Es ist noch zu früh. Du siehst furchtbar müde aus, hast keine Kraft mehr. Du mußt dich erholen. Soll ich weiterreden?«
    Ich wollte schon einen Witz machen, von wegen, sie sei meine Assistentin und nicht mein Kindermädchen, als sie plötzlich zischte: »Pst, schau mal her, schnell, sag mir, was du davon hältst.«
    Ich schlenderte zu ihr hinüber, betroffen, wie genau ihre Einschätzung zutraf. Und verärgert. Sie hatte in jeder Hinsicht recht.
    »Schnell, schnell, sonst verpaßt du ihn.« Sie packte mich am Arm und deutete auf die große Gestalt, die zum Büro nebenan schlenderte. »Das ist er. Das ist mei-hein Mann!« jubilierte sie. Er hatte uns den Rücken zugewandt. Als er die Falttür zurückschob, konnte ich zwar sein Gesicht nicht genau sehen, aber der breitschultrige Nadelstreifenrücken brachte mich völlig aus der Fassung. Ich hatte das Gefühl, mir würde gleich schlecht.
    »O mein Gott.« Ich stolperte zu meinem Schreibtisch zurück. Besorgt folgte Jen mir. Ich sagte nichts, bis ich mich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte.
    »Seit wann ist er hier?«
    »Er ist nicht die ganze Zeit da. Entwickelt für Nord-Süd-Transit nebenan ein neues Computerprogramm. Als Berater. Seit ungefähr einem Monat taucht er mehr oder weniger regelmäßig hier auf. Wieso, Nell? Kennst du ihn?«
    »Ja.« Mein Gesicht war wie erstarrt. Hanion. Der Mistkerl hatte hier herumgeschnüffelt, während ich noch in Dublin war.
    »Davon hat er gar nichts gesagt.«
    »Er hat nach mir gefragt?«
    »Eigentlich nicht. Ich habe ihm von meiner Arbeit hier erzählt. Und da ist natürlich dein Name gefallen.«
    »Bist du mit ihm ausgegangen?«
    »Ein paarmal. Ganz beiläufig. Mittagessen im Pub, so in der Art. Ansonsten …«
    »Ansonsten?« Ich spürte, wie die Wut in mir aufstieg. »Ansonsten kommt er ab und zu vorbei, um ein bißchen mit dir zu plaudern. Stimmt’s? Du hast nicht zufällig das Päckchen erwähnt, das ich dir geschickt habe, oder?« fragte ich sie so richtig gehässig. Die arme Jen wußte nicht mehr, wo sie hinschauen sollte. Wäre es nicht erst so kurze Zeit her gewesen, daß meine Mutter gestorben war, hätte sie mir mit Sicherheit ordentlich die Meinung gesagt. Aber so wirkte sie nur sehr bestürzt.
    »Jen, es tut mir leid, aber ich traue Cormac Hanion nicht über den Weg …«
    »Wem?«
    »Dem Kerl, auf den du so scharf bist. Cormac Hanion …«
    Die Spannung löste sich. Sie warf den Kopf zurück und besänftigte mich mit leicht belustigter Nachsicht. »Wer, zum Teufel, ist Cormac Hanion? So heißt er doch gar nicht.« Mit dem Daumen deutete sie nach nebenan. »Sein Name ist – da du so liebenswürdig danach fragst – Matt Craig«, erklärte sie sarkastisch, um gleich darauf einzulenken. »Ehrlich, Nell, was ist nur in dich gefahren? Natürlich habe ich das Päckchen nicht erwähnt. Wie kannst du nur so fragen? War irgendwas damit nicht in Ordnung? Ich habe es in dem Augenblick, als es gekommen ist, mit nach Hause genommen und es dir höchstpersönlich an dem Tag übergeben, als du zurückgekommen bist. Damals hattest du doch nichts daran auszusetzen, oder?«
    »Ich weiß, und es tut mir leid. Vergiß es. Ich habe mich geirrt. Ich dachte, es sei jemand, den ich kenne.«
    »Es kränkt mich ziemlich, daß du auch nur auf die Idee gekommen bist, ich hätte mit jemandem darüber gesprochen!« Beleidigt wandte Jen sich ab und machte sich an den Unterlagen auf meinem Schreibtisch zu schaffen; sie würdigte mich keines Blickes. Ich kam mir zutiefst gedemütigt vor. Nach einer vorsichtig-abwartenden Pause ging sie wieder zu ihrem Schreibtisch und tippte etwas in ihren Computer ein.
    Beschämt stützte ich den Kopf auf meine Hände und schloß die Augen. Meine Besessenheit, was Hanion betraf, war völlig außer Kontrolle geraten. Ich sah

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