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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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wohin sie wollen: Bügelmaschine, Waschbeutel, Schraubenzieher, Badewanne. Schraubenzieher, Badewanne. Meine Hand glitt träge über die hölzerne Seitenverkleidung der Badewanne und hielt inne, als ich mit meinen nassen Fingern einen Schraubenkopf ertastete, zuerst einen, dann noch einen. Als ich bei einem dritten anlangte, schoß ich wie eine Rakete aus dem dampfenden Wasser und kniete mich, naß und nackt, wie ich war, neben der Badewanne auf den Boden. Die Seitenverkleidung war mit acht Schrauben, jede mit einer funkelnden Chromkappe abgedeckt, befestigt.
    Ich trocknete mir die Hände ab und entfernte die Schraubenkappen. Dann nahm ich den Schraubenzieher und entfernte die Holzverkleidung. Dahinter lagen auf dem Boden, vierfach in Wachstuch eingeschlagen, zwei Umschläge. Der erste enthielt ungefähr ein Dutzend Photographien. Ich zog meinen Bademantel an und trocknete mir noch einmal die Hände ab, ehe ich sie herausnahm. Der Inhalt des zweiten Umschlags fesselte augenblicklich meine Aufmerksamkeit: einen kleines Bündel ordentlich mit einer rosa Büroklammer zusammengehefteter gebrauchter Busfahrscheine: lauter Tageshin- und -rückfahrkarten von Heathrow nach Oxford.
    Die Photos nahm ich mit ins Schlafzimmer und breitete sie auf dem Bett aus. Offenbar stammten sie von einer einzigen Filmrolle und waren an einem herrlich sonnigen Tag aufgenommen worden. Auf der Hälfte der Bilder war im Vordergrund meine Mutter zu sehen; mich interessierte jedoch die männliche Gestalt mit Panamahut, die schüchtern auf den anderen posierte. Auf dem allerletzten Bild saß sie zusammen mit meiner Mutter an dem Cafétisch. Die Aufnahme war nicht so gut wie die gerahmte meiner Mutter; die Gestalten waren viel verschwommener, aber merkwürdigerweise waren die Tagebücher und auch der Name des Cafés, Browns, weit deutlicher zu erkennen.
    Erneut sah ich die Photos durch, diesmal ganz langsam. Und zumindest eines der Gebäude glaubte ich zu erkennen; die häufig photographierte Radcliffe Camera. Ich sah in Lilys Reiseführer nach, um alle Zweifel auszuräumen.
    Alle Straßen schienen zu den verträumten Türmen von Oxford zu führen.

24
    Am Vormittag darauf kam Dr. Stockport mir knapp zuvor. Er rief mich im Büro an, als ich gerade seinen Experten in Oxford anrufen wollte. Ich brauchte eine Zeit lang, bis ich aus seinem weitschweifigen Sermon schlau wurde, aber schließlich kapierte ich, es gab einen Haken bei der Sache.
    »Leider hatte ich vergessen, daß ich heute fast den ganzen Tag in einer wissenschaftlichen Besprechung sein werde, doch wenn Sie, meine Liebe, sich bis morgen Abend gedulden, könnte ich Sie ohne weiteres nach Oxford begleiten. Ich wünschte, ich könnte mich an den Namen des armen Kerls erinnern, aber wissen Sie, er ist mir schlichtweg entfallen. Ich habe im College angerufen und angekündigt, daß wir morgen der Bibliothek einen Besuch abstatten würden. Wäre die Sekretärin nicht, nun ja, meine Liebe, sie war recht beflissen, aber hätte sie ihn en passant erwähnt, dann hätte dies das Ganze beträchtlich erleichtert. Herrje, mein schlechtes Gedächtnis.« Er hatte eine pedantische Art, seine Sätze und Nebensätze fast unhörbar mit Satzzeichen zu unterteilen, die ich, trotz meiner Enttäuschung, höchst amüsant fand. Ich fragte mich, wie, um alles in der Welt, er es geschafft hatte, mit der Sekretärin zu reden, ohne ihr den Namen des Archivars zu entlocken. Obwohl dies, wenn ich es mir genauer überlegte, ganz einfach war. Bei Dr. Stockport zu Wort zu kommen war schier unmöglich. Ich versuchte es trotzdem.
    »Soll ich Sie abholen?«
    »Mit dem Automobil?« Aus seinem Mund klang das wie ein wahrhaft himmlischer Vorschlag. »Ich hatte eigentlich vorgehabt, mit dem Zug zu fahren, aber da Sie, meine Liebe, mir dies so freundlich anbieten – eine Autofahrt wäre wirklich äußerst angenehm. Noch dazu bei so schönem Wetter. Ein Wagen mit aufklappbarem Dach, haben Sie gesagt? Herrlich.« Er war wirklich ein lieber Kerl. Wir verabredeten also, daß ich ihn am nächsten Tag um vier Uhr abholen würde.
    »Ich werde ein wenig früher hier weggehen, damit wir nicht in den Berufsverkehr geraten«, verkündete er lakonisch – ein überraschender Anflug von praktischem Denken. Fast rechnete ich damit, er würde für unterwegs ein Picknick vorschlagen. Noch einmal entschuldigte er sich, daß »wir unseren Ausflug nicht heute machen können«, versprach jedoch, am folgenden Nachmittag auf mich zu warten. Und

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