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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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waren erstarrt vor Furcht. O Nell, mein Schatz, ich habe solche Angst. Du bist die einzige, die mir hätte helfen können. Hätte ich Dir doch nur vertraut, mich dir anvertraut, dir alles erzählt. O Liebes, es tut mir so sehr leid.
    Ich bin so verwirrt und krank vor Angst um dich und mich und … o mein Gott, nicht einmal jetzt kann ich seinen Namen hinschreiben. Wir haben zu lange alles verheimlicht, haben gelogen. Und irgendjemand rührt das jetzt alles wieder auf, und ich weiß nicht mehr, wohin ich mich wenden soll. Ich spüre es, spüre es tief in meinem Inneren, genauso wie in all jenen lange zurückliegenden Jahren, wenn die schweren Schritte langsam, langsam die Treppe heraufgekommen sind und ich uns die alte graue Decke über den Kopf gezogen habe, damit wir nichts mehr hörten. O mein Gott. Er ist nie wirklich gestorben. Mein ganzes Leben lang war er hier. Ich bin von Sinnen vor Angst.
    Ich habe ihn sofort erkannt, denn er ist das Ebenbild dieses alten Teufels, seines Vaters. Schwammiger, kleiner, irgendwie formlos, aber das gleiche entsetzliche, anzügliche Grinsen, als bräuchte er nur die Hand auszustrecken und man würde dahinschmelzen. Ich konnte meine Augen nicht von seiner schlaffen Fliege lösen und habe, als sei es gestern gewesen, das Blut aus dem Kopf des alten Buller Reynolds sprudeln sehen.
    Ich habe Spud am Pier ausgeführt. Ganz am Ende waren wir angelangt, und ich habe beobachtet, wie die neue Sea-Lynx das Wasser aufgewirbelt hat. Ansonsten hat sich nichts geregt, die Hitze war grauenhaft. Leute waren kaum welche unterwegs. Ich habe mich auf eine Bank gesetzt, um ein wenig zu verschnaufen, da hat sich dieser Mann neben mich gesetzt. Zu nahe. Ich bin weggerutscht, langsam, damit es nicht allzu sehr auffällt, aber als ich mich bewegt habe, ist er nachgerutscht. Noch ehe er den Mund aufgemacht hat, war ich unruhig, und fast wäre ich ins Meer gesprungen vor Angst, als er dann angefangen hat zu reden.
    »Lily Sweetman?« Seine Stimme war höher als die von Buller, ein scheußliches Winseln. Ich habe gespürt, wie ich den Mund aufmache, aber kein Wort ist herausgekommen, um dies abzustreiten. Ich kannte ihn. Ich kannte ihn. O Gott, ich wollte wegrennen, aber ich konnte mich nicht von der Stelle rühren.
    »Was?« habe ich geflüstert.
    »Ich habe mich ein wenig als Detektiv betätigt; es hat eine Weile gedauert, aber jetzt fügt sich alles ineinander. Ich weiß alles über Sie. 1959 haben Sie Francis Xavier Gilmore geheiratet. Ihre Tochter, Ellen May, ist 1964 auf die Welt gekommen. 1983 ist Ihr Mann gestorben. Wenn man einmal weiß, wo man ansetzen muß, ist es einfach … Ich habe mich ganz schön eingearbeitet. Habe jeden einzelnen Namen im Mietenbuch zurückverfolgt. Komisch, alle anderen scheinen tot zu sein. Ich schätze, Sie waren die Jüngste.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    »Oh, ich glaube schon, ich glaube schon.«
    »Wer sind Sie?« Kaum daß ich mein eigenes Wort verstanden habe.
    »Mein Name ist Arthur Reynolds. Ich glaube, Sie haben meinen Vater gekannt, vor langer Zeit.« Ich habe gespürt, wie ich genickt habe, immer wieder, wie eine Puppe. Sechs mal sechs ist sechsunddreißig, fünf mal vier ist zwanzig. Süßer Seestern, hilf mir. Neun mal, sieben mal … Aber ich habe immer noch nichts gesagt. Spud hat an seinen Schuhen zu schnüffeln angefangen. Er hat sich gebückt und ihn getätschelt. »Braves Kerlchen, gelt?« hat er gesagt. Ich habe versucht, den Hund wegzuziehen, aber meine Hände haben mir nicht gehorcht.
    »Ob Sie mir wohl helfen könnten?« hat er gefragt und dann gewartet. Und jetzt habe ich ihm zum ersten Mal ins Gesicht gesehen. Er hat sich auf die Lippen gebissen, als sei er auch nervös. Auf seiner Stirn sind winzige Schweißtropfen gestanden.
    »Nein, nein, ich kenne Sie nicht. Nein. Lassen Sie mich in Ruhe.« Ich bin aufgestanden und wollte gehen. Ich wollte fliehen, den Pier zurück fliehen, so weit ich nur konnte. Er hat meinen Namen gewußt. Lily Sweetman. Wie lange ist es her, daß jemand mich so genannt hat? Außer meinem Geliebten. Woher hat er meinen Namen gewußt?
    »Bitte. Ich wollte Ihnen nicht angst machen, ich brauche nur …«
    »Ich habe nichts für Sie. Ich kenne Sie nicht. Gehen Sie weg.«
    »Ich möchte Ihnen nur etwas zeigen. Bitte, ich bin nicht hierhergekommen, um irgendwelche Schwierigkeiten zu machen, ich möchte nur herausfinden … zu meiner eigenen Befriedigung …. Es geht um meinen Vater. Sie haben ihn gekannt. Müssen

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