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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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ihn gekannt haben. Geben Sie mir nur fünf Minuten. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Bitte?« Er hat an dem Verschluß von einem kleinen Diplomatenkoffer rumgefummelt, den er auf dem Schoß hatte. Wirklich, er hat wie einer von diesen Mafia-Kerlen in den Filmen ausgesehen. Das war’s dann, hab ich gedacht, jetzt erschießt er mich. Auf seinem fast kahlen Schädel hat so eine komische fettige Haarlocke geklebt. Ich habe sie angestarrt, habe aber immer nur Bullers Kopf gesehen, aus dem das Blut auf die Straße geströmt ist.
    Wer hat ihn auf mich angesetzt? Milo nicht. Wer dann? Ansonsten hat niemand etwas gewußt über all das. Ich habe es nie jemandem erzählt. Niemals. Wer hat ihn also geschickt? Wer hat Bescheid gewußt?
    Und dann habe ich mich wieder hingesetzt, Nell, dabei hätte ich davonlaufen müssen. Ich hätte weiterrennen müssen.
    Er hat den Deckel von dem Aktenkoffer geöffnet und einige Unterlagen herausgeholt. Ich habe gespürt, wie mir der Schweiß über den Rücken geronnen ist.
    Nummer acht, Daedalian Road, war mit roter Kopiertinte auf den Umschlag geschrieben. »In dieser Straße ist mein Vater gestorben«, hat er geflüstert, dann ist er herumgefahren und hat mir ins Gesicht gestarrt. »Nicht wahr? Er ist doch in dieser Straße ermordet worden?« hat er gezischt. »In der Straße, in der Sie als kleines Mädchen gewohnt haben?«
    Wieder hat mein Kopf zu nicken angefangen, ich konnte einfach nicht damit aufhören. Ich habe gewußt, was jetzt kommt, und habe meinen Rücken an die Banklehne gepreßt.
    »Meine Mutter ist vor einiger Zeit gestorben«, hat er gesagt, jetzt mit einer etwas normaleren Stimme, als wolle er sich gut mit mir stellen. »Ein wundervolles Alter hat sie erreicht, und aufgeweckt war sie bis zum Ende. Als ich das Haus ausgeräumt habe, ist mir eine Menge unter die Finger gekommen. Mietenbücher, Pläne der Häuser, die ihm gehört haben. Die Druckerei. Das ist es, woran ich eigentlich interessiert bin.« Er hat geschnaubt. »Nicht, daß irgend jemand mir irgend etwas darüber erzählt hätte, was mit der Druckerei passiert ist. Wir sind reingelegt worden. Beraubt. Und ich möchte mir holen, was mir zusteht.«
    »Ich weiß nichts über die Druckerei.« Das war fast wahr. »Ich kann Ihnen nicht helfen.«
    »Wie denn auch? Sie müssen damals noch ein Kind gewesen sein. Das ist es nicht, was ich Sie fragen wollte.«
    »Was dann?«
    Da hat er etwas anderes aus dem Aktenkoffer gezogen, hat den Deckel zugeklappt und es daraufgestellt. Mir sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als ich erkannt habe, es war ein winziges Modell aus Streichhölzern, das die Häuserreihe darstellte, die Buller Reynolds vor all den Jahren besessen hat. Es war, als sei sie nie abgerissen worden. Ich war wieder dort, war wieder dort … ich habe gespürt, wie es mich in jene Zeit zurückgesaugt hat.
    »Wer hat das gemacht?« Die Worte waren mir herausgerutscht, ehe ich sie zurückhalten konnte. Es ist das genaue Ebenbild gewesen. Die Toten sind wieder auferstanden. Ich habe die Augen zugemacht; ich konnte den Anblick nicht ertragen. Als ich sie wieder aufgemacht habe, hat er mich mit so einem schrecklichen Glitzern in den Augen angegrinst. Der ist verrückt, habe ich gedacht, der ist verrückt.
    »Ich. Ich habe Bilder und die Pläne gefunden. Ich habe das gemacht. Ein Hobby von mir. Normalerweise baue ich Schiffe, aber Häuser sind viel einfacher, weniger Krümmungen, da braucht man nicht so viele Einzelteile. Sie kennen diese Häuser, nicht wahr? Haben sie gekannt? Da haben Sie gewohnt, stimmt’s? Stimmt’s?«
    »Eine Zeit lang.«
    »Anastasia Sweetman und zwei Kinder, Lily und James, richtig?«
    Ich habe den Kopf geschüttelt. Den Namen meines kleinen Bruders so ausgesprochen zu hören, das ist schrecklich gewesen. Mein armer toter Jimmy.
    »Ich weiß die Namen von allen, die in dieser verfluchten Straße gewohnt haben«, hat er gesagt. »Ich könnte sie im Schlaf aufsagen. Manchmal mache ich das. Cotter, Doyle, Kelly, Vavasour. Der ist ziemlich ungewöhnlich.« Er hat den Kopf auf die Seite gelegt und meine Reaktion abgewartet. Ich habe den Atem angehalten, keinen Muskel bewegt. Vavasour. Leicht aufzuspüren. Der Name von Rose steht über dem Laden in der Wicklow Street. Er hätte nur den Namen Sweetman zu nennen brauchen. Rose und Martin waren schon lange tot, aber ihre Tochter Sinead …
    »Ihre Mutter hat nie Miete bezahlt, nicht wahr?« hat er in einem ekelhaften Ton gesagt. »Mein Vater muß ein

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