Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
Vom Netzwerk:
an. »Nett? So schlimm war es?« Er setzte eine äußerst niedergeschlagene Miene auf, und wider Willen mußte ich lächeln. Bis jetzt war mir gar nicht aufgefallen, daß er recht attraktiv war. Trotzdem, ein grauenhaftes Timing.
    »Tut mir leid, aber da ist noch so viel zu erledigen, ehe ich zurückfahre. Vielleicht ein andermal.«
    »Morgen«, schmeichelte er und ergriff die günstige Gelegenheit. »Wie wär’s mit Mittagessen? Ich hole Sie so gegen zwölf ab. Irgendwann müssen Sie ja mal was essen.«
    »Oh. Einverstanden«, lächelte ich. Neugierde gewann die Oberhand in mir. »Allerdings muß es irgendwo hier in der Gegend sein, in Dun Laoghaire; ich habe eine Menge zu tun.« Ich atmete tief durch und wappnete mich für die Leichenfeier. »O mein Gott«, stieß ich hervor. »Ich habe regelrecht Angst davor. Danke für den Drink. Der hat mir ein wenig Mut gemacht.«
    »Es war mir ein Vergnügen.« Er streckte die Hand aus und schüttelte meine.
    »Oh. Kommen Sie nicht mit rein?«
    »Tut mir leid, Nell. Es ist schon viel später, als ich gedacht habe, ich muß leider wieder zurück. Eine Verabredung, die ich fast vergessen hätte. Tut mir leid.« Er schlenderte weg und ließ mich, leicht verdutzt, da stehen. Ich beobachtete ihn, bis er um die Ecke bog. Mir fiel auf, sein dunkler Anzug war übersät mit weißen Hundehaaren von dem Autositz. Ich überquerte die Straße und ging ins Haus.
    In dem Augenblick, als ich durch die Tür trat, war ich umzingelt. Im vorderen Zimmer drängten sich erstaunlich viele Leute. In den folgenden Stunden erspähte ich Arthur (wer war er eigentlich?) etliche Male, aber er war jedes Mal außer Reichweite. Als ich die letzten alten Nachbarn von Lily hinausbegleitete, bemerkte ich, wie er in einen Bus stieg, der Richtung Innenstadt fuhr.
    »Ich habe gedacht, Arthur hätte ein Auto«, sagte ich.
    »Arthur wer?« Sie kannten niemanden, der so hieß, erklärten sie.
    Noch irgendeiner von den anderen, die ich fragte. So wichtig erschien mir dies aber nun auch wieder nicht, und binnen kurzem hatte ich ihn vergessen.

12
    Am Tag nach dem Begräbnis aß ich nicht mit Cormac Hanion zu Mittag. Der Mistkerl versetzte mich. Zuerst war ich wütend; dann jedoch froh. Mein Leben war zu kompliziert für derartigen beiläufigen Gefühlsballast.
    Den ganzen Vormittag war ich völlig von dem Versuch in Anspruch genommen, im Haus meiner Mutter wieder Ordnung zu schaffen. Es machte einen aufgeregten, aufgewühlten Eindruck, als wäre sie an dem Tag, an dem sie totgefahren worden war, weggegangen, ohne vorher aufzuräumen. Das war mir als erstes aufgefallen, als ich ins Haus getreten war, nachdem ich ihre Leiche identifiziert hatte. Obwohl »Unordnung« vielleicht ein bißchen übertrieben ist. Jemand anderer hätte es wahrscheinlich gar nicht bemerkt, aber mich überraschte es. Meine Mutter war ziemlich pingelig gewesen, was Ordnung betraf, und reinlich. Und das hatte sie mir vererbt, ihre fast übertriebene Ordentlichkeit.
    In den zehn Tagen seit damals hatte eine Staubschicht sich wie ein Leichentuch über alles gelegt. Die Trauerfeier hatte noch das Ihre zu der Unordnung beigetragen. Ich war schon versucht, einen Putzdienst anzurufen, aber ich wußte, sie hätte es gehaßt, wenn Fremde hinter ihr dreinräumten. Und im Grunde genommen wollte ich es selber machen.
    Ich fing sehr früh an, da ich beschlossen hatte, noch am gleichen Abend nach London zurückzufliegen. Gegen Mittag war ich völlig erledigt. Zum Schluß räumte ich noch den Kühlschrank aus und wischte den Küchenboden.
    Verdrießlich beäugte Mas kleiner Schottlandterrier Spud von seinem Korb aus mein Herumfuhrwerken. Die meiste Zeit seit Mas Tod hatte er bei unserer Nachbarin Mrs. Dwyer – wie sie mit Vornamen hieß, habe ich nie erfahren – verbracht, wo die Dinge offenbar eher seinem anspruchsvollen Geschmack entsprachen. Als ich den Mop zu schwingen begann, geriet er in helle Aufregung und schnappte nach meinen Fersen. Ich versuchte es mit der Einschmeicheltaktik und streckte ihm – wenn auch ein wenig angstvoll – freundlich die Hand entgegen. Auf die ging er ebenfalls los. Jetzt reichte es mir. Ohne große Umstände klemmte ich ihn mir unter den Arm und ging nach nebenan.
    »Der grämt sich nur«, erklärte Mrs. Dwyer. »Stimmt’s, Schätzchen? Komm her zu Tantchen und hol dir einen kleinen Knochen!« Schätzchen führte seine neckische Nummer vor. Die meine Ma immer unwiderstehlich gefunden hatte. Er saß mit zur Seite gelegtem

Weitere Kostenlose Bücher