Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
Vom Netzwerk:
Sie noch? Bieten Sie ihr Ihren Scheißregenschirm an.«
    »Ein guter Vorwand, schätze ich.« Er lachte.
    »Richtig.«
     
    Nell Gilmore hatte sich nur sieben oder acht Minuten in der Kapelle aufgehalten. Als sie jetzt heraustrat, sah sie einen Mann, der sich unter dem Vordach untergestellt hatte. Als sie näher kam, drehte er sich um. Der Wind hatte aufgefrischt, und der Regen prasselte jetzt regelrecht herunter. Bedrückt starrte sie vor sich hin. Er trat einen Schritt vor und streckte seine freie Hand aus, um sie zu begrüßen.
    »Nell«, sagte er, als sei sie eine alte Bekannte. Verdutzt blickte sie ihn an. »Tut mir leid, kennen wir uns?«

11
    Ich hatte keine Ahnung, wer er war.
    »Arthur hat mich wieder hergeschickt«, erklärte er. »Er hat vorgeschlagen, Sie nehmen mich im Auto mit, als Gegenleistung für den Schutz durch meinen äußerst vertrauenswürdigen Schirm.«
    Er schüttelte ihn aus, und ein Sprühschauer ließ uns beide so hastig zurücktreten, daß wir einander anrempelten. Er hielt mich mit der Hand fest, damit ich nicht stolperte, und ließ sie auf meinem Arm ruhen. Den ich ganz beiläufig wegzog.
    »Obwohl ich nicht sicher bin, wie vertrauenswürdig er ist.« Er lachte sarkastisch.
    »Auf jeden Fall um einiges besser als gar keiner«, erwiderte ich forsch. »Das ist sehr nett von Arthur. Und Ihnen«, fügte ich eilig hinzu.
    Ich war verwirrt, weil ich ihn nirgends einordnen konnte. Wohlgemerkt, mir war durchaus klar, unter den gegenwärtigen Umständen könnte es sich ohne weiteres herausstellen, daß er mit mir verwandt war. Möglicherweise auch dieser Arthur mit dem komischen Hut. Obwohl, wie der ins Bild passen sollte, war mir völlig schleierhaft. Noch so ein geheimnisvoller Mann. Er hatte sich vor dem Gottesdienst vorgestellt und behauptet, ein alter Freund meiner Mutter zu sein. Bei Lily konnte das alles mögliche bedeuten.
    Die Beerdigung erwies sich als interessanter, als ich erwartet hatte. So ausdruckslos, wie ich nur konnte, sah ich meinen derzeitigen Begleiter an. In Kildare gab es eine ganze Schar von Verwandten meines Dad, die ich als Kind ein paarmal getroffen hatte. Möglicherweise war er einer von denen. Jetzt eine Familienfehde anzufangen, danach stand mir nun wirklich nicht der Sinn.
    »Tut mir leid«, sagte er hastig. »Ich hätte mich vorstellen sollen. Cormac Hanion.« Sein Akzent war schwer einzuordnen; mit Sicherheit kam er nicht aus Kildare. Gebildeter Dubliner Tonfall, aber abgeschwächt. Eher dem meines Freundes Davis als meinem ähnlich. Vermutlich war er einige Zeit auf einer englischen Privatschule gewesen.
    »Hanion?« Ich versuchte, Zeit zu gewinnen. Ein ziemlich häufiger Name, aber mir sagte er nichts. »Also kein Verwandter?« fragte ich.
    Das schien ihn zu amüsieren. »Ich fürchte, nein. Aber die Sweetmans und die Hanions haben eine lange gemeinsame Geschichte.«
    Oh, tatsächlich? Ich war verblüfft, weil er Lilys Mädchennamen genannt hatte, und konnte mich des vagen, ziemlich unbehaglichen Eindrucks nicht erwehren, er erwarte jetzt eine Reaktion von meiner Seite. Diesen Gefallen tat ich ihm jedoch nicht.
    »Ihre Mutter war eine gute Freundin der Familie. Damals in Ringsend.« Er sprach gewandt und freundlich von ihr.
    Ringsend? Lily hätte Sandymount gesagt; sie war ein klein wenig ein Snob. Neuerdings kommt Ringsend ziemlich in Mode, neue Wohnungen – Verzeihung: Apartments –, und einige der Plätze haben sie herausgeputzt. Yuppies versuchen, den Stadtteil zu übernehmen. Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, um ehrlich zu sein. Es wäre besser gewesen, sie hätten ein paar Bäume gepflanzt. Lily war ziemlich skeptisch hinsichtlich der Möglichkeiten gewesen, die sich dort boten. Ich glaube, sie konnte die Gegend nie anders sehen als damals in ihrer Kindheit: ein Notstandsgebiet, heruntergekommen, verarmt. Ich warf erneut einen Blick auf meinen todschick gekleideten Gefährten. Eigentlich war ich ziemlich gerührt, daß er für sich in Anspruch nahm, derselben bescheidenen Abstammung zu sein.
    »Aha, Ringsend.« Ich gab mich zurückhaltend, weil mir nichts anderes einfiel. Mir war eigentlich nicht nach Plaudern zumute. Plötzlich hatte ich das Interesse verloren. Der Regen entsprach haargenau meinen Gefühlen.
    Er merkte das sofort, das mußte ich ihm lassen, und streckte seine freie Hand aus. »Sollen wir hinlaufen?«
    Er hakte sich bei mir unter und zog mich unter den Schirm. Sein Verhalten war ungezwungen und freundlich, aber irgendwie schaffte

Weitere Kostenlose Bücher