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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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Kopf da und streckte lasziv seine kleine rosa Zunge heraus. Als er sie dann damit herumgekriegt hatte, verschwand er unter dem Sofa. Zu meiner Erleichterung fand Mrs. Dwyer diese Vorführung für sie persönlich schmeichelhaft. Indirekt wollte sie damit zum Ausdruck bringen, daß sie unseren vierbeinigen Freund verstand, während ich dies, bei aller Klugheit, nicht schaffte.
    Sie hatte bereits eingewilligt, ein Auge auf das Haus zu haben, bis ich mich entschied, ob ich es behalten wollte. Das war keine leichte Entscheidung, und ich hielt es für das beste, mir etwas Zeit zu lassen, um darüber nachzudenken. Jetzt fragte sie, ob sie auch nach Spud sehen solle. Vor Erleichterung wäre ich ihr fast um den Hals gefallen.
    Freundlich begleitete Spud mich bis zur Tür. Er saß da, starrte zu ihr hinauf und wedelte mit dem Schwanz. Ziemlich niedlich sah er aus. Wirklich. Aber ehrlich gesagt, seit dem Unfall konnte ich seinen Anblick nicht mehr ertragen. Er hatte überlebt; meine Mutter war gestorben. Die Plötzlichkeit des Ganzen hatte jegliches Gefühl in mir erstickt, ich wußte wirklich nicht mehr, was oder wie ich dachte. Es war ein wenig so, als wäre ich in Watte gehüllt. Ich stand einfach da, blind und taub, und schnappte nach Luft. Ich mußte weg von hier. Ich hatte vor, in ein paar Wochen wieder herzukommen und ihre Habseligkeiten durchzusehen, aber im Augenblick fand ich es nahezu unerträglich, allein in dem Haus zu sein. Irgend etwas so Persönliches wie ihre Kleider in die Hand zu nehmen oder wegzuwerfen war mehr, als ich ertragen hätte. Auch den riesigen Stapel Unterlagen, der von ihrer Bank gekommen war, konnte ich nicht durchsehen. Ich hatte ihn sofort in meinen Koffer gepackt, um mir einen Überblick zu schaffen, wenn ich nach Hause kam.
    Ich war so ungefähr fertig, als mir einfiel, daß ich noch in ihr Nähzimmer schauen mußte; dort hingen auf einer Kleiderstange fünf Bestellungen zur Abholung bereit. Ihre Schneiderarbeit war tadellos. Ich strich mit dem Finger über die glatten Nähte und wäre fast in Tränen ausgebrochen. Über ihre Aufträge hatte sie gewissenhaft Buch geführt – in der Hinsicht waren wir uns ähnlich daher wußte ich genau, was ich zu tun hatte. Es gelang mir, vier der fünf Kundinnen zu erreichen, und ich bestellte einen Kurier, um die Sachen zu liefern. Hinter dem letzten fertigen Kleid und dem Stapel unerledigter Arbeit schloß ich einfach die Tür.
    Natürlich hatte das alles länger gedauert, als ich gehofft hatte, und es war schon nach ein Uhr, als ich mich plötzlich an meine Verabredung zum Essen mit Cormac Hanion erinnerte. Ich wusch mir schnell das Gesicht, zog etwas anderes an und hing dann bis dreiviertel zwei rum, bis der Hunger siegte. Ich stapfte den Hügel nach Dun Laoghaire hinunter, um ein Glas Guinness zu trinken und ein Schinkensandwich zu essen. Wie üblich bestand es aus unverdaulichem, weichem weißem Fabrikbrot. Ich weiß auch nicht, warum ich dieses Zeug esse. Immer wieder. Ich scheine nicht in der Lage zu sein zu widerstehen. Ich schätze, es erinnert mich an die Sandwiches, die Lily mir immer hergerichtet hat, als ich noch klein war, mit Brot, das fast noch warm aus der Bäckerei kam. Ich schwöre es, die Hefe gärt in den Eingeweiden weiter, und noch Stunden später kommt man sich wie aufgebläht vor. Und ein bißchen übel ist einem.
    Ich habe nicht erwähnt, daß sie die schlechteste Köchin der Welt war, oder? Sie mochte Essen, wenn jemand anderer es zubereitete, aber sie kriegte nie den Dreh raus, gute und frische Zutaten zu kaufen, sondern ging immer schnurstracks auf die herabgesetzten »Sonderangebote« los. Ich weiß mehr über verschimmeltes Gemüse als die meisten Leute.
    Ich drückte mich in meine dunkle Ecke und betrachtete eine Tasse von dem abscheulichen Kaffee, der in dem Pub serviert wurde, als ein Fremder sich auf die Bank mir gegenüber gleiten ließ.
    »Miss Gilmore, nicht wahr? Ob ich mich wohl kurz mit Ihnen unterhalten dürfte?« Er kam mir ziemlich unheimlich vor, aber als ich näher hinsah, erkannte ich Arthur. Ich setzte mich wieder hin und bestellte Kaffee für uns beide. Er sagte kein Wort, bis der Kellner zur Bar zurückgegangen war, und ließ mir so Zeit, ihn ausgiebig zu mustern; ich wußte jetzt mit Bestimmtheit, den hatte ich bis zum vorhergehenden Tag nie in meinem Leben gesehen.
    Wenn ich ihn beschreiben sollte, würde ich sagen: Durchschnitt. Durchschnittlich groß, durchschnittlich alt, durchschnittlich alles

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