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Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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sprechen noch sehen, konnte mich weder mündlich noch schriftlich noch sonstwie äußern. Zu Anfang habe ich nur geschrien, hat man mir später erzählt.«
    »Zu Anfang«, wiederholte ich ihre Worte, denn mir ging ganz allmählich etwas auf. »Aber dann hast du Fortschritte gemacht.«
    »Ha!«, spuckte sie und schüttelte ihre Frisur durcheinander, bis Ernesto seinen Arm um sie legte und nur um Haaresbreite daran vorbeischrappte, die Augen ausgekratzt zu bekommen. Jeder andere hätte einen Satz zur Seite gemacht, doch Ernesto blickte nur treu aus der Wäsche, und Christine fuhr die Krallen im letzten Moment wieder ein, wand sich dann langsam und eher nachdenklich aus seinem Arm.
    »Seit ich in Doktor Weifenheims Klinik gekommen bin, ging es in kleinen Schritten aufwärts.« Bei Erwähnung des Namens brachen die Dämme bei ihr, und Tränen liefen über die hageren, harten Linien ihres Gesichts. Wieder kam der Arm, wurde geduldet, diesmal.
    »So weit aufwärts, dass du früher oder später vor Gericht zu deinem Fall hättest aussagen können«, mutmaßte ich, und sie nickte.
    »Und, lass mich raten, aber Dr. Weifenheims Klinik liegt in Bayern, richtig?«
    Wieder nickte sie, schnaufte in ein Tempotuch, das Ernesto hervorgezaubert hatte. »In Fürstenfeldbruck.«
    Von wegen Zufälle, dachte ich. Was hier geschieht, ist sorgfältig geplant. Jemand versucht, sich an einer Erpressungsbeute zu bereichern und gleichzeitig ein paar für ihn und seine Freunde lästige Gestalten loszuwerden. Was hatte Menden noch gesagt? >Die Oberaufsicht für dieses ganze Unternehmen hat speziell und ausdrücklich und namentlich nach Ihren Diensten verlangt<. Namentlich. Die Oberaufsicht. Und ich hatte nicht nachgefragt. War nicht stutzig geworden. Sondern hatte mich herkarren lassen wie ein Schaf zur Schlachtbank.
    Dass mit uns zusammen eine Hand voll Unbeteiligter ins Gras beißen würde, war von der Planung her eher willkommen, streute es doch die Aufmerksamkeit möglicher Ermittler in ebenso viele Richtungen. Der Justizminister des Freistaates würde einen Winter lang mit Büßermiene die Last der Verantwortung an seinem in einer Katastrophe geendeten Resozialisierungs-Experiment tragen, und wenn im Frühjahr dann die ersten Leichen geborgen und die ersten Schusswunden entdeckt wurden, stünden die Chancen nicht schlecht, dass ihn das sogar rehabilitieren könnte.
    Figuren in einem perfiden Spiel, das sollten wir sein, von vornherein als die Verlierer besetzt.
    Seltsam, wie die Angst abnimmt, wenn die Wut hochkommt.
    Wir schlichen uns zurück, in die Mine, und ich japste vor Schreck, als mich aus der Dunkelheit heraus jemand am Arm fasste. Es war Mona. Sie roch nach Staub.
    »Ich habe mir Sorgen um euch gemacht«, sagte sie und rückte ein bisschen an mich heran, und der Gedanke an Bass und Balance ließ meine Konzentrationsfähigkeit für einen Sekundenbruchteil unter die Gürtellinie rutschen.
    »Und dann wäre da noch was«, gestand sie. »Ich fürchte, die Erwähnung von zehn Tonnen Gold hat mir etwas angetan. Ihr müsst verstehen: Eigentlich wollte ich den ganzen Winter nach Gold schürfen und hoffte, alles in allem vielleicht ein Kilo oder so aus dem Berg zu sprengen. Dann erwähnte jemand zehn Tonnen davon, und ich bekam, ehrlich gesagt, weiche Knie.«
    »Mona«, sagte ich ernst, »vergiss das Gold. Wir müssen hier weg.« Ich schilderte ihr kurz meinen Stand an Informationen.
    Sie seufzte. Biss sich auf den Daumennagel und grübelte. Draußen gluckerte das Schmelzwasser.
    Sollten sie wirklich die richtige Mine gefunden haben und das Gold, würden sie sich nun alle zusammen auf die Suche nach uns werfen, dachte ich. Die Zeit läuft.
    »Wir sitzen in der Falle«, befand Mona, und ich schenkte ihr unwillkürlich diesen Gesichtsausdruck, den Überbringer schlechter Nachrichten immer abkriegen. Ich hatte ehrlich gehofft, mithilfe ihrer Ortskenntnis eine flotte Lösung für unsere Probleme auszutüfteln. Ich hatte mich schon als Aufklärer eines sensationellen Verbrechens mit Verstrickung bis in höchste politische Kreise gesehen. Beherrscher der Titelseiten, der Funk- und Fernsehnachrichten, mit einem Schlag berühmt. Ich hatte mich schon mit Onkel Biolek Kochrezepte und mit
    Tante Maischberger Tiefsinniges austauschen gesehen.
    Doch gerade Monas Ortskenntnis erwies sich als Dämpfer für meine Hoffnungen.
    »Jemand mit einem Gewehr kann von oben das ganze Gelände hier kontrollieren«, sagte sie mit einer weit reichenden Geste. »Den

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