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Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Aufstiege aus rostigen Krampen oder von Jahrzehnten der Vernachlässigung geprägte Treppen- und Leiterkonstruktionen gelangen. Zu anderen führten nur noch die vom Regen verwaschenen Rostspuren ehemaliger Verankerungen. Aus einem von diesen Löchern in ungefähr acht Meter Höhe baumelte ein Seil. Ein blau-rotes Bergsteigerseil. In der Öffnung selbst schwang eine Türe im
    Wind, und wenn man gute Augen hatte und genau hinsah, konnte man im richtigen Augenblick des Auf- oder Zuschwingens eine Ziffer und einen Buchstaben erkennen, die jemand in die rechte obere Ecke gepinselt hatte.
    Sie hatten also mittlerweile doch die Mine mit dem versteckten Gold gefunden.
    Ich legte mich flach auf den Bauch, hinein in das ganze Schmelzwasser, das den Berg herabgerieselt kam, und robbte an den Rand der Schlucht heran, um nach der Brücke über die schäumenden Fluten Ausschau zu halten, und zuckte fast ein bisschen, als ich sie keine zweihundert Meter abwärts erspähte. Und auch die zwei stiernackigen, selbst auf die Entfernung leuchtend rotwangigen Gestalten, die an ihrem Geländer lehnten. Das mussten die beiden unangenehmen Brüder sein, die Ernesto erwähnt hatte. Ich winkte ihm, sich neben mich zu legen, und er bestätigte meine Vermutung.
    Sie gingen als Jagdgesellschaft, komplett mit nervösen, fleckigen Hunden. Ich war mir beinahe sicher, dass sie Loden trugen unter ihren weißen Tarnoveralls. Ganz sicher war ich mir allerdings darüber, was sie über den Tarnoveralls trugen, Jagdgewehre nämlich, mit langen, schlanken Läufen, auf die lange, dicke Zielfernrohre geschraubt waren.
    Gamsjagd wäre die Antwort, die jemand bekäme, sollte er auf die Idee kommen zu fragen. Dies war genau die Ausrüstung, um den flinken, scheuen, leichtfüßigen und so wundervoll trittsicheren Bergziegen nachzustellen.
    Ich lag auf dem Bauch und fühlte mich chancenlos.
    Christine kroch neben mich, um auch mal einen Blick zu erhaschen, erhaschte einen, schnappte nach Luft und begann zu zittern, dass ich für einen Augenblick dachte, sie bekäme einen epileptischen Anfall. Ich sah in ihr schreckstarres Gesicht, folgte dann ihrer Blickrichtung und begriff, dass es die beiden Stiernacken sein mussten, die ihr solche Angst einjagten, und das, obwohl der eine im Moment nichts Wilderes tat, als von der Brücke in die Edda zu pinkeln, und der andere dabei war, auf und ab zu gehen und mit der freien Hand zu gestikulieren, während er mit der anderen ein Handy gegen seinen Kopf drückte.
    »Hey«, sagte ich zu ihr, »beruhige dich. Wir nehmen einfach eine andere Route, runter ins Tal, auch wenn wir ein bisschen klettern müssen. Wir machen einen Riesenbogen um diese Typen, okay?« Und zwar möglichst flott, dachte ich. Solange die anderen vier sich irgendwo anders herumtreiben und uns hoffentlich nicht in die Quere kommen.
    »Du verstehst nicht«, presste sie hervor und wimmerte vor ununterdrückbarer Panik. »Das da unten sind die beiden, die versucht haben, mich zu erschlagen«, sagte sie, und man konnte spüren, was für eine Anstrengung sie dieser Satz kostete.
    Langsam krochen wir zurück und richteten uns vorsichtig wieder auf, und ich dachte, so für mich, eh, eh, eh, mal ein bisschen langsam. Das sind jetzt aber wirklich ein paar Zufälle zu viel.
    »Ich war auf Droge«, fuhr Christine tonlos fort. »Bin auf den Strich gegangen, wie alle irgendwann. Und eines Nachts geriet ich an die beiden da unten. Gustl und Wastl. Vater ein dicker CSU-Bonze. Brauereibesitzer.«
    Ich hörte nur halb zu, versuchte, eine Entscheidung zu treffen, was jetzt.
    »Meine letzte Erinnerung ist die, wie der eine mir diesen großen Pflasterstein ins Gesicht schlägt. Kein Tag, keine Nacht, ja eigentlich keine Stunde, in der ich diesen Moment nicht wieder durchlebe.« Sie kaute an ihrer Unterlippe, als ob sie sie verschlingen wollte. Sie sprach völlig klar, wenn auch in einem matten Monoton, der in völligem Kontrast zu ihren sonstigen permanenten Wutausbrüchen stand.
    »Sie hielten mich wohl für tot und hatten ja auch beinahe Recht damit, als sie mich irgendwo neben der Autobahn aus ihrem Auto schmissen. Ein paar Kids auf der Suche nach 'nem ruhigen Plätzchen hätten mich beinahe überfahren, waren dann aber smart genug, mich ins nächste Krankenhaus zu bringen. Muss ein bisschen ein Schock für die Brüder gewesen sein, als sie erfuhren, dass ich noch lebe. Aber schon bald stellte sich heraus, dass ihnen von mir keine Gefahr drohte: Zu Anfang konnte ich weder

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