Falling in love
Weihnachtskarten. Ich will nur noch weg.
In der Klassenleiterstunde zeige ich Caitlin & Co. die kalte Schulter. Was mir nicht weiter schwerfällt, denn seitdem Dave und ich uns getrennt haben, ignorieren sie mich. Trotzdem finde ich es ziemlich armselig, dass Caitlin ihre Freundschaft davon abhängig macht, mit wem ich zusammen bin. Ich vertiefe mich in mein Skizzenbuch. Gerade zeichne ich eine blaue Tür. Das Besondere an dieser Tür ist, dass links und rechts von ihr zwei blaue Laternen angebracht sind. Sie stehen für die reine blaue Energie. Ich wette, in meinem ersten Leben war ich ein Nachtfalter. Ich liebe Lichter, jede Art von Lichtern, vor allem solche, die die Nacht erleuchten. Und wenn ich blaue Lichter sehe, wird mir innerlich ganz warm.
Auf dem Weg zum Sportunterricht werfe ich mein Schulzeug in den Spind. An der Tür klebt ein orangefarbenes Post-it:
S –
Vor der letzten Stunde treffen wir uns hier.
– T
Ich ziehe den Zettel ab und klebe ihn in mein Skizzenbuch. Ich weiß schon jetzt, dass ich diesem Tag eine Seite widmen werde. Immer wenn etwas Außergewöhnliches passiert, gestalte ich in Gedanken schon die Seite, auf der ich später alles festhalten will. Aber jetzt bin ich ganz hier. Ich spüre das Leben in jeder Faser meines Körpers. Ich stecke das Skizzenbuch wieder weg.
Das ist eindeutig zu aufregend für mich. Was, wenn uns jemand erwischt? Wie soll ich es bis zur neunten Stunde aushalten?
*
In der Mittagspause kriege ich nichts runter.
»Hast du keinen Hunger?«, fragt Laila.
»Meine Nerven liegen blank.«
»Entspann dich«, sagt Maggie. »Es wird sicher großartig.«
»Wieso tust du dir das eigentlich an?« Laila beobachtet mich aus dem Augenwinkel.
»Ich habe es Tobey versprochen.«
»Ich kapiere nicht, warum ihm das so wichtig ist«, sagt Laila. »Ich dachte, er wäre über diese Phase hinweg.«
»Ihm geht es darum, dass ich sein früheres Leben kennenlerne. Er meint, dann verstehe ich ihn besser. Und außerdem wird es superwitzig, sagt er.«
»Hmmm.« Laila nimmt einen Bissen von ihrer Pizza, die weich und eklig aussieht wie immer in der Mensa.
»Und ich werde nie wieder die Möglichkeit dazu haben«, erkläre ich. »Wenn ich es heute nicht mache, sitze ich vielleicht in zehn Jahren auf der Veranda und ärgere mich, dass ich das nicht ausprobiert habe. Man muss in der Gegenwart leben.«
»Du solltest ein Selbstfindungsbuch schreiben.« Maggie winkt irgendjemandem zu.
»Ist hier noch was frei?«
Vor uns steht Josh. Er wirkt so verloren wie der letzte Mensch auf Erden.
»Äh…« Ich wechsle mit Laila und Maggie einen Blick. Manchmal sitzt Tobey mit an unserem Tisch, aber so weit, dass auch seine Freunde bei uns sitzen, sind wir eigentlich noch nicht.
»Also…«
Laila formt die Lippen zu einem Nein!
Maggie kommt mir zu Hilfe. »Es ist so… wir haben gerade über Mädchenkram gesprochen… todlangweilig.«
»Das glaube ich nicht. Nichts ist so spannend wie Mädchenkram.« Josh grinst übers ganze Gesicht.
»Wo ist Tobey?«, frage ich ihn.
»Er hat sich mit Mike verzogen. Die beiden brauchen regelmäßig ihre Stunden zu zweit.« Er schaut mich an. »Sara, an deiner Stelle würde ich mir Sorgen machen.«
Ich muss lachen. Typisch Josh.
»Oho«, sagt Maggie und zieht die Os in die Länge.
Wieder breitet sich dieses Grinsen auf Joshs Gesicht aus.
Maggie grinst zurück. Nur ein bisschen, aber es ist doch zu sehen.
»Na gut«, sagt Josh, »dann bis später.« Er steuert auf einen anderen Tisch zu, an dem ein paar Leute aus der Theater-AG sitzen.
Laila mustert Maggie von oben bis unten. »Was ist mit dir los?«
»Was soll mit mir los sein?« Maggie nimmt einen Schluck Limonade. »Nichts ist los.«
»Natürlich nicht«, sagt Laila. »Jetzt spuck’s schon aus. Ich habe doch genau gesehen, wie du Josh angegrinst hast.«
»Hast du sie noch alle?«, ruft Maggie. »Ich kann Josh nicht ausstehen!«
»Sicher? Ich hatte eher das Gefühl, dass du…«
»Jetzt mach mal halblang. Wir reden hier von Josh!«
»Egal«, sagt Laila.
»Als ob es keine interessanteren Gesprächsthemen gäbe.« Mit ihrer Serviette fächelt Maggie sich Luft zu, aber das nützt gar nichts. »Was habt ihr eigentlich vor?«
»Wir hauen nach der achten Stunde ab.«
An dem Tisch mit den Sportskanonen bricht plötzlich das Chaos aus. Gekicher und Schreie schallen durch die Mensa. Wir drehen uns um. Dave hat gerade eine völlig unreife Aktion gestartet, die mit seiner Nase und einem Strohhalm zu tun
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