Falling in love
habe Sara versprochen, mein Bestes zu geben, und bisher bekomme ich überall As.
Meine Eltern sind noch arbeiten und dieser Gedanke macht es nicht leichter, sich auf die wichtigsten Aussagen zu konzentrieren.
»Das sieht nur so aus«, sagt Sara.
»Was würdest du anstreichen?«
Sara nimmt die Kappe von dem orangefarbenen Textmarker. Die Beine ihres Stuhls scharren über den Boden, als sie neben mich an den Schreibtisch rückt. Wir beugen uns über das Geschichtsbuch.
»Vielleicht nur…« Langsam zieht sie den Textmarker über einen Satz. »Und hier…« Sie unterstreicht einen zweiten Satz. Das leuchtet mir ein. Sara scheint einen sechsten Sinn dafür zu besitzen, was die Lehrer von uns wollen. Wo war ich eigentlich, als uns in der achten Klasse erklärt wurde, wie man Texte exzerpiert?
»Ich hasse Geschichte«, sage ich.
»Mir geht’s genauso«, sagt Sara.
»Echt?«
»Klar.«
»Und wieso strengst du dich dann so an?«
»Weil mir egal ist, was ich da tue. Wichtig ist, was ich daraus mache.« Sara drückt die Kappe auf den Textmarker. »Ich blende einfach aus, wie langweilig das ist. Stattdessen rufe ich mir in Erinnerung, wo ich in zehn Jahren sein will und was ich dafür in Kauf nehmen muss. Dann geht das schon.«
Sara ist fest entschlossen, alles zu erreichen, was sie will. Das bin ich eigentlich auch, aber meine Träume haben nicht so viel mit der Schule zu tun. Seit Kurzem gibt es allerdings einige Gründe, mich nicht mehr so hängen zu lassen. Nach der Battle of the Bands sind ein paar meiner Mitschüler auf mich zugekommen und haben mir gesagt, dass MindFlame ihnen gefallen hat. Aber ich weiß, dass die meisten unseren Auftritt total bescheuert fanden. Mit der Band geht es im Moment also nicht so recht weiter. Deshalb will ich unbedingt an der Manhattan Music Academy angenommen werden. Hauptsächlich aber stresse ich mich für Sara so rein.
Eine Stunde lang lese ich den Text und versuche, meine Textmarker-Sucht so weit in den Griff zu kriegen, dass ich nur die wichtigsten Aussagen anstreiche. Danach bin ich total kaputt. Zeit für ein kleines Schläfchen. Auf meinem Bett sitzt allerdings schon Sara. Sie blättert in ihren Physikaufzeichnungen, als würde ich sie jeden Moment zu einer unangekündigten Kurzkontrolle verdonnern. Sie sieht wahnsinnig sexy aus, wie sie es sich inmitten meiner Kissen bequem gemacht hat. Mike macht sich immer darüber lustig, dass auf meinem Bett so viele Kissen liegen. Jedes Mal fragt er mich: »Und wo sind die Kuscheltiere?« Aber er hat keine Ahnung. Mädchen stehen nun mal auf Kissen. So sieht mein Bett viel einladender aus.
Und meine Eltern sind immer noch arbeiten.
Ich setze mich neben Sara. Sie macht aus dem Riesenpapierstapel gerade viele kleine Stapel.
»Wann machen wir Pause?«, frage ich.
»Wir haben vereinbart«, sagt Sara, »dass wir erst eine Pause machen, wenn du die Hausaufgaben für mindestens ein Fach erledigt hast.«
»Ich bin fertig.«
»Womit?«
»Mit Geschichte.«
»Du hast immer noch an dem Geschichtskram gesessen?«
»Ja, aber jetzt bin ich fertig.«
Sara schaut mich skeptisch an.
»Ich bin wirklich fertig. Und ich kann eine Pause vertragen.«
»Okay.« Sara reckt sich. »Dann machen wir eine Pause. Aber nur eine kurze.«
»Und was machen wir?« Per Gedankenübertragung versuche ich, Sara dazu zu bringen, dass sie »rummachen« vorschlägt.
»Wir unterhalten uns«, sagt Sara.
»Ach so. Ja. Gut.«
»Oder hast du einen besseren Vorschlag?«
»Ich? Äh… unterhalten ist super.«
»Schön.« Sara zieht ihr Beine an und umschließt sie mit ihren Armen.
»Und worüber willst du reden?« Ich mache es mir gemütlich.
»Über Beziehungen«, sagt sie.
Oje. Hoffentlich wird das nicht so ein ernstes Gespräch, bei dem ich jedes Mädchen erwähnen muss, das ich mir beim Wichsen jemals vorgestellt habe. Sara wirkt eigentlich nicht so, als wäre sie sonderlich eifersüchtig. Aber man kann nie wissen.
»Schön«, sage ich.
»Ich frage mich…« Mit ihrem Zeigefinger zeichnet Sara Kreise auf ihr Knie.
»Was fragst du dich?« Vielleicht dauert das Gespräch nicht allzu lang und danach machen wir rum. Falls die Pause dann nicht schon vorbei ist. Ich setze ein interessiertes Gesicht auf.
»Ich frage mich… ob du schon mal mit jemandem… ich weiß, ich bin nicht deine erste Freundin… ich meine… war es dir schon mal mit jemandem so richtig ernst?«
Ehe ich antworte, überlege ich einen Moment. Mädchen wollen oft etwas ganz anderes
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